Indigo - Das Erwachen
Verantwortung lastete auf seinen Schultern.
âWas ist los? Geht es dir nicht gut?â Rayne kniete sich vor ihn und berührte ihn am Arm. Als er ihr nicht antwortete, sagte sie: âAtme ganz ruhig. Du musst deinen Herzschlag beruhigen.â
Er folgte ihrem Rat und ging neben ihr in die Knie. Die grausamen Männer, die lärmend Jagd auf die Kinder machten, lieÃen ihm keine Ruhe. Er konzentrierte sich auf seinen Herzschlag und atmete langsam und tief, bis er Raynes sanfte Stimme hörte. Sie erinnerte ihn an die wunderschönen Bilder, die sein Onkel ihm in seinem Ruheraum gezeigt hatte. Als Gabriel bereit war, kam seine Mutter zu ihm, und die Erinnerungen an sie erfüllten ihn mit Wärme.
âDeine Mutter ist jetzt bei dir, oder?â, flüsterte Rayne. âIch weià es, weil ich meine Mom auch spüren kann. Und meinen Vater. Oh, Gabe, danke!â
Rayne stand wieder auf, und Hellboy hob eine Pfote, als Gabriel sich ebenfalls erhob und in die Dunkelheit starrte. Der Zorn war noch in ihm, aber jetzt schenkte ihm auch die Liebe seiner Mutter Kraft. Sie war sein neues Fundament geworden, die Wurzel seiner Fähigkeiten. Als er die Arme ausstreckte und die Fäuste ballte, strahlten die Muskeln in seinem Körper eine immer stärker werdende Hitze ab.
Er spürte, wie seine Kraft wuchs. Sie erschütterte ihn so wie in der Museumsbibliothek, ein Beben, über das er nur zu leicht die Kontrolle verlieren konnte. Es fühlte sich an, als würde ihm das Herz aus der Brust gerissen werden. Als die Zellen in seinem Körper zerbarsten, aber keinen Platz hatten, um sich auszubreiten, stöhnte Gabe vor Schmerzen auf. Er hielt durch, hatte Angst, loszulassen. Befürchtete, dass er wieder die Kontrolle verlieren würde.
âIch ⦠schaffe das nicht.â
âDoch, du kannst das. Halt durch, Gabriel! Vertraue auf deine Instinkte! Das hier ist, was du bist!â
Raynes Stimme bahnte sich durch seinen Schmerz, gab Gabe die Kraft, sich noch mehr zu bemühen. Erinnerte ihn daran, warum er hier war und was auf dem Spiel stand.
Plötzlich zerbarst sein Körper und sein ganzes Sein fegte durch die dunklen Tunnel, raste von ihm fort. Gabe schrie auf, so süÃ, so wunderbar waren die Qualen, die er durchlitt. Er war zu einer Million Seelen geworden â vergangenen, gegenwärtigen, zukünftigen Seelen. Er zog Stärke aus dieser Seelenkolonie, lieà den Sog ihrer Kraft seine eigene verstärken. Er hatte noch nie etwas Ãhnliches empfunden, und doch ergab plötzlich alles einen Sinn. Er musste etwas tun, was er noch nie getan hatte: Vertrauen schenken . Als er andere Seelen spürte, die so waren wie er, erschien es ihm auf einmal nicht mehr unmöglich, zu vertrauen. Am stärksten fühlte er Lucas und Kendra. Die beiden spielten ihm eine rasende Abfolge von Bildern zu. Sie zeigten ihm die Gesichter der Männer, die sie verletzt hatten und jagten. Das schenkte Gabriel weitere Kraft. Er konnte seine Wut jetzt auf diejenigen richten und loslassen, die sie verdient hatten.
Doch am wichtigsten war, dass Gabriel sich plötzlich frei fühlte. Er hatte eine Barriere durchbrochen, hinter der sich die Lebenden und die Toten zusammenfanden. Ihre gesammelte Lebenskraft schoss auf ihn zu und wurde von ihm gebündelt und zurückgeworfen, als würde er Licht reflektieren. Sie prallte in alle Richtungen von ihm ab, und eine erwachende Macht strömte durch seinen Körper. Auf einmal tat sie ihm nicht mehr weh. Er hatte die Fähigkeiten all dieser Seelen angezapft und verstärkte ihre Kräfte, als könne er sie voll und ganz kontrollieren.
Er war der gemeinsame Kanal für das Indigokollektiv geworden.
âEs ist ⦠wunderschön!â, rief er. âIch spüre ⦠alles .â
Kendra rannte mit Lucas weiter in einen Tunnelabschnitt, der in ein Labyrinth aus schmalen, steilen Wegen überging. Sie lieÃen sich nur von ihren Instinkten leiten. In diesem Teil der Tunnel war sie noch nie gewesen. Nur Rafe kannte sich hier aus. Als sie an ihn dachte, hätte sie sich fast wieder übergeben müssen. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen, und als die Gedankenverbindung zu ihm abgebrochen war, war ihre Existenz zu einem dunklen Ort geworden.
Du weiÃt nicht, was passiert ist. Jedenfalls nicht wirklich .
Lucas hatte ihre Gedanken gelesen. Sie war erschöpft und hatte ihren Schutzwall nicht
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