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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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so etwas noch nie gesehen, es war richtig gespenstisch, dieser Aufzug.
    – Das wird oft gemacht, unterbrach sie mich sanft. Verkleidungen helfen Kindern, mit einer schwierigen Situation umzugehen. Ich nehme an, dass das ein traumatischer Moment für den D… für diesen, wie war der Name? Max? Na ja, für den Schüler gewesen ist.
    – Okay, aber – 
    – Man sieht es oft auf Friedhöfen, bei Beerdigungen. Ein Kind mit einem geschminkten Gesicht. Als Katze oder … oder es trägt einen komischen Hut. Sieht man oft.
    – Gut, es geht mir gar nicht so sehr um die Verkleidung, es ist eher die Tatsache, dass so viele Schüler des Instituts versetzt oder …
    – Reloziert?
    – Ja.
    – Dazu kann ich Ihnen nichts sagen, Herr Setz. Aber ich schreibe Ihnen jemanden auf, den Sie besuchen könnten. Die Frau war mal bei mir in Behandlung. Nach der Geburt ihres Sohnes. Alleinerziehend. Inding… Indigo-Kind. Depressiv. Das ganze Programm. Sie wohnt in der Südsteiermark.
    Sie griff nach ihrem Organizer und suchte den Eintrag. Dann schrieb sie alle Angaben auf ein Blatt Papier. Gudrun Stennitzer. Sohn: Christoph. Glockenhofweg 1, 8910 Gillingen. Darunter eineMobiltelefonnummer.Frau Häusler-Zinnbret fächelte sich weiter Luft zu. Ihr Gesicht hatte ein wenig zu glänzen begonnen.
    – Ich weiß, die Daten früherer Patienten, normalerweise … (sie machte eine Bewegung, als verscheuche sie mehrere Fliegen). Aber es ist okay. Sie redet wirklich gern über das Thema. Sie hat ihren Sohn deswegen sogar zu Hause unterrichten lassen. Wegen dem Problem. Das natürlich in der Di… in der Community ziemlich verbreitet ist, wie man sich denken kann.
    – Welches Problem? Das der Relokationen?
    Fächerbewegungen, wippende Haarsträhnen. Dann atmete sie aus und sagte leise, mit einem sanften Kopfschütteln:
    – Rauchfangkehrer, ts … Aber wer weiß, na ja, bestimmt freut sich Frau Stennitzer, wenn Sie sie besuchen und in Ihrem Artikel erwähnen. Sie interagiert gerne, wissen Sie. Mit anderen Menschen und so. Tut ihr auch gut, innerlich und äußerlich.
    – Okay, vielen Dank.
    – Möchten Sie noch ein Glas Wasser, Herr Setz?
    – Nein danke. Nur noch eine letzte Frage.
    Sie lachte auf.
    – Entschuldigung, sagte sie. Aber Sie haben sich gerade so an die Stirn gefasst wie Columbo. Als Sie das gesagt haben. Hahaha.
    – Haben Sie schon mal von Ferenc gehört?
    Sie hörte auf, den Fächer zu bewegen, und ließ ihn neben ihrem Gesicht stehen, als benötige sie ein drittes Ohr, um zu verstehen, was ich von ihr wollte.
    – Wie bitte?
    – Den Namen. Ferenc.
    – Das ist ein Spiel, sagte sie. Soweit ich weiß.
    Eine kleine Pause.
    – Ja, sagte Frau Häusler-Zinnbret noch einmal. Ein Spiel.
    – Ein Spiel?
    – Ja.
    – So wie Reise nach Jerusalem ?
    – Ungefähr so.
    Der Fächer setzte sich leicht in Bewegung.
    – Gott sei Dank betreue ich heute keine I-Familien mehr, sagte Frau Häusler-Zinnbret. Das liegt hinter mir.
    – Darf ich fragen, warum Sie damit aufgehört haben?
    Sie klappte den Fächer zusammen und legte ihn vor sich auf den Tisch.
    – Die Mütter, sagte sie. Vor allem die Mütter. Das hält man nur eine gewisse Zeit aus, wissen Sie. Diese dunklen Augenringe, die verkrümmten Finger, die verklebten und ungewaschenen Haare, diese anklagenden Lippen, die immer ein bisschen zittern, burnt out, burnt out, und dann die absurden Vorstellungen, die sie haben … Aber gut, sie können natürlich nicht anders, sie wollen, dass es ihren Kindern genauso gut geht wie anderen, normalen Kindern. Aber man hält diese Mütter eben nur eine Zeitlang aus. Wie sie dasitzen und nur von ihrer Erschöpfung erzählen … und dieser leidende Ton, den sie dabei immer anschlagen, das können wohl nur Frauen.
    Sie lachte.
    – Nein, fügte sie hinzu, ich hab auch genug junge Väter kennengelernt, die mit den Nerven am Ende waren. Aber natürlich waren es auch die Kinder selbst. Dieses kalte, distanzierte … Wie sie alles aushalten, egal, was man ihnen antut, das …
    Sie schaute wieder auf mein leeres Glas und fragte zum zweiten Mal:
    – Sie möchten wirklich nicht noch …?
    – Nein danke, sagte ich. Was wollten Sie noch über die I-Kinder sagen?
    – Sie haben sie doch selbst kennengelernt.
    – Nun ja, nur aus der Ferne.
    Sie lachte.
    – I-Kinder, wiederholte sie, das klingt so harmlos … Sie haben kein Mitleid. Ich meine, die ausgebrannten Fälle, die können sich mitunter noch ein wenig

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