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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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stellte sich ihr in den Weg.
    – Robert, bitte, sagte die Mutter müde. Ich muss mich nur kurz regenerieren.
    – Ich will – 
    – Robert!
    Sie schob ihn beiseite, ihre Hand auf seiner Schulter. Dann war sie im Hausflur. Er dachte daran, die Tür zuzuwerfen, aber das hätte auch nichts gebracht.
    – Dann eben nächstes Wochenende!, schrie er.
    Arno Golch, den Max’ Verschwinden aus dem Institut ungewöhnlich aggressiv gestimmt hatte, winkte Robert am Sportplatz zu. Dann kam er näher, mit gewaltigen Schritten, Robert lief weg, aber bald hatte Golch ihn eingeholt.
    – Du Sau!, schrie er Robert an und verpasste ihm einen Tritt, so dass er zu Boden stürzte.
    Robert wurde sofort von einem heftigen Würgereiz und einer Schwindelattacke ergriffen, die so schlimm war, dass er das Gefühl hatte, auf dem Kopf stehend um eine vertikale Achse zu rotieren. Rinderhälfte an Fleischerhaken.
    – Du musstest ja unbedingt dein verdammtes Maul aufreißen!, sagte Golch.
    – Ich … ich weiß nicht, was du meinst … o Gott …
    Robert würgte.
    – Weißt du, was ich mir wünsche?, sagte Golch, kniete sich hin und legte seine Hand an Roberts Hals. Dass er dich kriegt, der Ferenz. Dass er dich in seine Finger kriegt. Als was wirst du dich dann verkleiden, hm?
    Robert sagte nichts.
    Und dann kam plötzlich die Atemluft in seine Lungen zurück, weil Golch ihn losließ. Die Stimme eines Erwachsenen donnerte über das Spielfeld.
    Eines Tages im Winter war der Hahn verschwunden.
    Niemand wusste, wie er aus dem Keller entkommen war. Undeutliche Spuren im Schnee deuteten an, dass er etwa zweihundert Meter weit auf seinen eigenen Füßen gelaufen und dann wohl von einem größeren Tier gepackt und fortgezerrt worden war. Jedenfalls verschwanden die Abdrücke seiner Krallen an einer bestimmten Stelle und tauchten nicht wieder auf. Vielleicht hatte aber auch der Wind die zarte Spur des Tieres verweht. Die Leute der Umgebung rissen Witze darüber, wie der Hahn mit vor Überwältigung heraushängender Zunge, ooohhh, durch den Tag gelaufen sei, halb blöd vor Erstaunen über die Helligkeit der Welt, vonder ihm seine Zellen immer erzählt hatten, dass sie tatsächlich existiere, und er hatte es nicht glauben wollen … Roberts Mutter saß beim Mittagessen in ihrer Ecke, während Robert am anderen Ende des Esszimmers die dünnen Kartoffelscheiben in sich hineinschaufelte, und sagte kein Wort. Er sah es ihr an, dass sie darüber und nicht etwa über eine andere Sache kein Wort verlor. Er grinste. Sein Zeichenblock war voll. Und bevor er den aufgeregten, aber keineswegs verängstigt wirkenden Hahn dem Konrad übergeben hatte, der trotz der Kälte extra aus dem Nachbardorf mit dem Moped und einer Bretterkiste gekommen war, froh über die Gratiszugabe für den Hof seines Vaters (der ihn dafür vielleicht endlich einmal loben würde und nicht bloß immer auslachen wegen der bei bestimmten Lichtverhältnissen rosarot wirkenden Farbe des Mopeds), und der versprach, ihn gut unterzubringen, hatte er ihm noch einen Namen gegeben. Er blickte seine Mutter an und sagte den Namen auf, ohne die Lippen zu bewegen. Er würde ihn ihr niemals verraten. Nicht einmal dem Konrad hatte er ihn verraten. Niemand auf der Welt würde ihn je erfahren. Niemand hatte es verdient, zumindest bis jetzt.

11  Sinn und Geheimnis
von Kurven zweiter Ordnung
    Ich öffnete die Augen. Ein Irrlicht geisterte am Rand meines Gesichtsfeldes herum. Wenn ich die Kiefer zusammenpresste, verschwand es, kam aber wieder, wenn ich sie entspannte.
    – Mmh, du bist wach, sagte Julia. Ich wollte dich nicht wecken.
    – Wie spät ist es?
    – Halb fünf, glaube ich.
    Ich schaute auf den Wecker. Es stimmte.
    – O Gott, stöhnte ich.
    – Der neue Wecker ist zu klein, sagte Julia.
    Ich blickte den Wecker an.
    – Wirklich?
    – Ja, ich kann die Anzeige nicht erkennen.
    – Scheiße, ich muss gleich aufstehen, sagte ich. Halb fünf, was soll denn das für eine Uhrzeit sein? Ich möchte am liebsten alles anzünden …
    – Was zum Beispiel?
    – Ich möchte am liebsten … ach, ich weiß nicht … Die Schüler nehmen mich ja nicht mehr ernst, seit ich vor ihnen in Tränen ausgebrochen bin. Das war mein Todesurteil. Das sind Bestien. Weißt du, wie die aussehen?
    – Beschreib’s mir.
    Ich stand auf und zog die Vorhänge zur Seite, wodurch es im Zimmer ein wenig heller wurde. Dann schaltete ich das Licht ein. Julia verbarg ihre blendempfindlichen Augen hinter den

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