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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Schlimmes.
    – Mit Tieren?
    – Ja.
    – Echte Tiere? Oder auf Bildern?
    – Bilder. Ganz schrecklich. In einem Artikel.
    – Ja, du klingst auch ziemlich verstört, sagte sie. Es ist gut, dass du mich gleich angerufen hast, warte, ich gehe nur ins andere Zimmer … das Geschnatter ist ziemlich laut hier.
    – Und diese elenden Statuen, sagte ich, die haben natürlich gemerkt, dass ich … Ah, ich kann mir nicht vorstellen, wie ich das noch länger aushalten soll. Du solltest sie sehen!
    – Vielleicht solltest du was schreiben.
    – Wieso?
    – Einfach so, um dich abzulenken. Das hat bisher immer gut funktioniert.
    – Ja, aber diese grauenvollen Bilder …. Ich meine, da war eine Biene, die …
    Ich sprach nicht weiter.
    – Denk jetzt nicht daran, sagte Julia. Du kannst doch jetzt nach Hause fahren, oder?
    – Im Prinzip ja. Aber der Zug fährt erst in …
    Ich schaute auf die Uhr und machte ein enttäuschtes Geräusch, das die unangenehme Wartezeit andeuten sollte.
    – Dann setz dich in die Bibliothek oder in den Hof – 
    – In den Hof kann ich nicht, da wandern die Irren herum, mein Gott, davon muss ich wirklich mal ein Video machen und es dann ins Internet stellen … Sie haben sogar einen eigenen Namen dafür. Für die Art, wie sie sich im Hof bewegen. Einen eigenen Namen! Verdammte Scheiße!
    – Dann eben in die Bibliothek, sagte Julia ruhig. Setz dich dort hin und stell dir vor … was weiß ich, was so in ihnen vorgeht.
    – O Gott, du meinst das ernst, oder?
    – Okay, dann stell dir einfach vor, ach, ich weiß ja nicht, was könnte man …
    – Eben.
    – Such dir einen von ihnen aus. Und stell dir vor, wie er später einmal sein wird. Welches Leben ihn erwartet. Und warum er solche Bilder anschauen muss.
    – Wer?
    –  Such dir einfach einen aus und stell dir vor, wie er sich später verhalten wird.
    Für R. T.
    – Und wann? Was heißt Zukunft?
    – Weiß ich doch nicht. In ein paar Jahren. Zehn, zwölf.
    – In zwölf Jahren gibt’s die Menschheit doch gar nicht mehr.
    – Dann eben in zehn.
    – Da ist gerade Bürgerkrieg. Überall.
    – In jedem Land?
    – Yep.
    – Du, sagte Julia, ich muss dann wieder arbeiten gehen. Meine Fledertiere … Reden wir zu Hause weiter?
    – Okay.

10  Der Hahn
    Im Herbst scheint der Sonnenschein Bartstoppeln zu tragen.
    Die Blätter fielen in den Hof des alten Hauses in der Glockenturmgasse 20/21, die Holzstufen im Treppenhaus, von unzähligen Tritten zusammengepresst und blankgewetzt wie alte Stempelkissen, knarrten unter den Temperatur- und Druckveränderungen, der Kalender wurde dünner, die Monatsnamen länger und melancholischer, dann, irgendwann, brauchte man einen Schal, wenn man auf der Straße unterwegs war, und von da an konnte man nicht mehr zurück zur Wärme des Sommers.
    Außer auf diese Weise.
    Robert lag neben Cordula und schmiegte sich in ihre Achselhöhle. Die weltberühmte Seilbahn von Gillingen, dachte er, sanftes Schaukeln über der Landschaft. Obwohl sie niemals darüber gesprochen hatte und sich nichts anmerken ließ, wusste er, dass sie oft einen leichten Spannungskopfschmerz bekam, wenn er lange so blieb, also rutschte er ein wenig nach unten und legte seine Wange an ihre warme Flanke. Unglaublich, wie warm der Bauch einer Frau immer war. Er hatte es oft mit seinem eigenen Bauch verglichen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
    Er schloss die Augen und dachte an den Herbst in der Helianau. Die Heizung in den Schülerwohnungen wurde immer erst Mitte September eingeschaltet. Vorher konnte man im Zimmer oder im Häuschen am Heizkörperventil drehen, solange man wollte. Alles, was kam, war ein zaghaftes, gedämpftes Zischen im Rohr, vielleicht Luft, vielleicht ein Rest von müdem Wasser, das die ganze warme Jahreszeit über hier gewartet hatte, doch irgendwann gebraucht zu werden. Ein Wasserrest, in dem, wie zur Entschädigung für die lange Wartezeit, kleine Lebewesen entstanden waren, Mischformen von Algen und Kaulquappen, die nun in den Rohren unterwegs waren und sich dort vermehrten auf eine neue, ihnenselbst nicht ganz begreifliche Weise der Symbiose und Teilung; in den in den Wänden verborgenen Rohrleitungen steckten sie (Robert sah die Wände seines Zimmers in der Helianau so genau vor sich, als wären sie Teil eines Bildes, das er selbst gemalt hatte) und züngelten einander an, wenn sie sich begrüßten, ihre blassgrünen, halbtransparenten Körper drängten sich in der herbstlichen Kälte

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