Indische Naechte
in kürzester Zeit bewußtlos werden. »Sehr ritterlich, daß du sie verteidigst, aber bei allem gebotenen Respekt bin ich im Moment nicht in der Stimmung, besonders fair zu sein.«
Davids Stirn zog sich in Falten. Er mochte Georgina, und er machte ihr keinen Vorwurf daraus, daß sie geglaubt hatte, ihr Verlobter wäre tot. Aber sie hatte tatsächlich ziemlich rasch geheiratet, und ihre Eile hatte nun üble Konsequenzen für Ian. »Wenn es dich irgendwie tröstet«, sagte er schließlich, »du bist ausgiebig von ganz Cambay betrauert worden. Von Colonel Whitman bis zum niedrigsten Arbeiter.«
»Nein, es tröstet mich nicht besonders«, antwortete Ian trocken und schnitt weiter an der Mango herum.
David musterte sein Gegenüber mit Unbehagen. Er hatte seinen Bruder schon als Kind bewundert und war stets überzeugt gewesen, daß Ians Kraft und sein fester Charakter alles bewältigen konnten. Es war Ian gewesen, der ihm beigebracht hatte, auf Beduinenart zu reiten, sich gegen größere Jungen zu verteidigen und wie man nachts aus dem Haus schlich, wenn man eigentlich schlafen sollte.
Aber der Mann, der aus Buchara gekommen war, wirkte wie ein Fremder. Sein schmales Gesicht war ausgezehrt und eingefallen, und er sah weit älter aus als zweiunddreißig. Er hatte noch nicht einmal gelacht, und das seltene Lächeln war lediglich ein bedeutungsloses Verziehen der Lippen. Unsicher fragte David: »Wirst du das Regiment wechseln? Ich denke mir, Georgina und Gerry ständig zusammenzusehen, könnte sich als... schwierig heraussteilen.«
»Das ist eine Untertreibung.« Ian spießte mit der Messerspitze ein Stück Mango auf und starrte das saftige Fruchtfleisch an, während er nachdachte. Plötzlich ließ er das Messer wieder sinken. »Ich werde meinen Dienst quittieren. Ich weiß zwar nicht, was ich statt dessen tun soll, aber ich habe genug davon, die Inder zu verteidigen und das große Spiel gegen die Russen zu spielen. Zur Hölle damit. Das verdammte Königreich Ihrer Majestät wird ohne mich auskommen müssen.«
Die Bitterkeit der Worte ließ David eine Weile schweigen. Plötzlich fiel ihm ein, daß es aus der Familie Neuigkeiten gab, die wichtig für Ians Zukunft waren. »Gut, daß du die Armee verlassen willst. Du wirst nämlich zu Hause in Schottland gebraucht.«
»Wozu in aller Welt?« fragte Ian unbeeindruckt.
Er schob den Teller mit den Mangostücken fort und trank von dem Brandy.
»Du bist nun Laird of Falkirk.«
Ians Gesichtszüge erstarrten. »Wie kann das sein?«
David seufzte. »Es hat etwa vor einem Jahr einen Unfall gegeben. Onkel Andrew und seine beiden Söhne sind im Loch ertrunken. Sie waren angeln, als eins der berüchtigten Unwetter aufkam.«
Ian stieß sich heftig vom Tisch ab. »Verflucht! Alle drei auf einmal umgekommen? Das kann doch nicht wahr sein!«
Während er durch den Raum schritt, spürte er zuerst nur Schock und Bedauern, und es dauerte eine Weile, bis er begriff, wie sich diese Sache für ihn persönlich auswirkte. Falkirk war der Familiensitz der Camerons, aber Ians Vater war Andrews jüngerer Bruder gewesen, und Ian hätte sich nicht im Traum vorgestellt, daß er das Anwesen und den Titel einmal erben könnte. Er war erzogen worden, sich seinen Platz in der Welt selbst zu suchen, und nun war er auf einmal Lord Falkirk.
Dann fiel ihm etwas anderes ein, und er blieb abrupt stehen und blickte seinen Bruder scharf an. »Mit der Meldung meines Todes warst du der nächste in der Reihe der Erben.«
»Ja und nein.« David lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Natürlich haben mich die Anwälte benannt, aber mit der gleichen Post kam ein Brief von Mutter, die mir befahl, ja nicht zu glauben, ich sei der neue Lord, da du nämlich am Leben seiest!«
Einen Augenblick lang wurde Ians Ausdruck weicher. »Habe ich schon erwähnt, daß es Mutter war, die Ross Carlisle in Konstantinopel aufstöberte und ihn förmlich dazu zwang, nach mir zu suchen?«
»Das überrascht mich ganz und gar nicht. Sie war wild entschlossen, die Anwälte die vollen sieben Jahre warten zu lassen, bevor sie deinen Tod für amtlich erklärten.« David grinste. »Sie ist in den letzten Jahren viel stärker geworden. Der Witwenstatus scheint ihr gut zu bekommen.«
Ian rieb sich seine schmerzende Schläfe. »Wie sehr trifft es dich, nicht Falkirk zu erben? Trotz Mutter mußt du es doch langsam als dein Eigentum betrachtet haben.«
»Oh, es hätte mir nichts ausgemacht, ein zugiges Schloß mit all dem Drumherum zu
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