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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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jedenfalls, um das Tagebuch in die Hände zu bekommen und zu erfahren, wie ihr Onkel gestorben ist.«
    Dabei wäre es soviel einfacher, wenn das Mädchen nicht mehr in der Nähe war. Dann könnte er die Bibel einfach mit einem kurzen Erklärungsschreiben an eine russische Botschaft schicken. Aber er verdankte Pjotr zuviel, um den Weg des geringsten Widerstands zu nehmen. Er würde diese Nichte also persönlich aufsuchen.
    Zögernd fragte David: »Hast du Kopfschmerzen? Du reibst dir schon die ganze Zeit die Stirn.«
    Ian ließ die Hand sinken. »Ich habe Kopfschmerzen, seit ich mein Auge verloren habe, aber sie sind längst nicht mehr so stark. Vielleicht hören sie eines Tages ganz auf.« Plötzlich war Davids unausgesprochenes Mitgefühl mehr, als er ertragen konnte. »Wenn es dir nichts ausmacht — ich könnte jetzt ins Bett gehen!«
    Er trat an den Tisch, trank den Brandy aus und zog sich dann schneller als höflich war in sein Zimmer zurück. Dort zog er seine Kleider bis auf die leichte Unterhose aus und legte sich aufs Bett. Doch trotz Brandy und Erschöpfung wollte der Schlaf nicht kommen.
    Er hatte immer gedacht, er würde sein ganzes Leben in der Armee verbringen, und niemals in Erwägung gezogen, den Dienst zu quittieren, bis er sich diese Worte hatte sagen hören. Aber im gleichen
    Moment hatte er erkannt, daß ihm keine Wahl blieb. Einst war das Leben beim Militär sein Element gewesen, doch nun nicht mehr.
    Über seinem Kopf bewegte sich träge ein gewaltiger Fächer, den man Punkah nannte, und kühlte seinen glühenden Körper wenigstens etwas. Draußen auf der Veranda zog ein Diener, der Punkah Wallah, das Seil, mit dem der Fächer bewegt wurde. Schließlich entschied der Diener, daß es Zeit war, schlafen zu gehen, und die langen, mit Stoff bezogenen Blätter kamen quietschend zum Stehen. Über den Bungalow senkte sich Schweigen.
    Da die Luft nicht mehr bewegt wurde, wurde die gelbe Flamme der Öllampe größer. Ian starrte wie gebannt auf das Licht. Er hatte die Lampe absichtlich nicht gelöscht, denn in Buchara hatte er eine Abneigung gegen die Dunkelheit entwickelt.
    Seine Lippen preßten sich zu einem blutleeren Strich aufeinander. Es war an der Zeit, es war längst an der Zeit, ehrlich zu sein. Was er für die Dunkelheit empfand, war ganz sicher nicht mit einem Wort wie >Abneigung< auszudrücken. Er fühlte überwältigendes, irrationales Entsetzen.
    Und dies war auch nicht die einzige Angst, die er in seinem Gefängnis entwickelt hatte. Während seine Brust sich in aufkommender Panik heftig hob und senkte, zwang er sich, den häßlichen Tatsachen ins Auge zu sehen, die er seit seiner Rettung versucht hatte zu verleugnen.
    Er fürchtete sich vor dem Alleinsein, hatte aber immense Schwierigkeiten, die Gesellschaft anderer zu ertragen.
    Er hatte Angst vor dem Einschlafen, denn er fürchtete seine Träume.
    Er war ein Feigling, ein Mann, der sich einem Ehrenkodex verschrieben und sich selbst viel gründlicher betrogen hatte, als jeder andere ihn hätte betrügen können.
    Er war nicht mehr der Mann, der damals nach Buchara gereist war, sondern eine ausgetrocknete, gebrochene Hülle, die ihm nie wieder ähnlich sein konnte.
    Er fürchtete den Tod. Und, unendlich viel schlimmer: Er fürchtete das Leben.
    Punkt für Punkt hakte er im Geiste seine neuen Schwächen ab und erwog jede gründlich, bis sie sich in seiner Seele eingenistet hatte und sich vertraut anfühlte. Aber so bitter diese Wahrheiten auch schmeckten, so waren sie doch nicht so qualvoll wie der letzte, brutale Fakt, den zu akzeptieren er sich verzweifelt sträubte. Selbst in der Intimität seiner eigenen Gedanken war es ihm fast unmöglich, die Worte für sich selbst zu formulieren, doch endlich tat er es.
    Er war impotent.
    Ians Nägel gruben tiefe Rillen in seine Handflächen, als er die Worte im Geiste wieder und wieder aussprach. Impotent. Ein Eunuch. Kein Mann mehr. Niemals mehr würde er das menschliche Grundbedürfnis von Leidenschaft und körperlicher Nähe erfahren, niemals mehr eine Frau oder gar Kinder haben.
    Das Wissen schnitt in seine Seele wie eine glühende Klinge. Es mochte Männer geben, die mit einer mönchischen Natur ausgestattet waren und den Verlust ihrer Sexualität gar nicht bemerkt hätten, aber er gehörte gewiß nicht zu ihnen.
    Wenn er zurückblickte, wußte er genau, zu welchem Zeitpunkt der Schaden entstanden war. Einmal, als die Gefängniswärter sich einmal mehr den Spaß gemacht hatten, ihn

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