Individuum und Massenschicksal
glaubt, daß dieses Ziel jedes euch zur Verfügung stehende Mittel rechtfertigt, dann seid ihr Fanatiker.
(22.14 Uhr.) Fanatiker sind Idealisten besonderen Schlages. Sie nähren gewöhnlich verschwommene und grandiose Träume, und in ihren hochfliegenden Plänen werden die Kriterien des Alltagslebens völlig außer acht gelassen. Sie sind unerfüllte Idealisten, die sich nicht damit zufriedengeben, ihren Idealismus in kleinen Schritten zum Ausdruck zu bringen, geschweige denn die praktischen Auswirkungen solchen aktiven Ausdrucks abzuwarten. Sie fordern unverzügliches Handeln. Sie wollen (lauter) die Welt nach ihren eigenen Vorstellungen umgestalten. Den Ausdruck der Toleranz oder entgegengesetzter Ideen können sie nicht ertragen. Sie sind die Selbstgerechtesten der Selbstgerechten, bereit, praktisch alles aufzuopfern - ihr eigenes Leben und das Leben anderer.
Sie werden, um ihre Ziele zu erreichen, fast jedes Verbrechen rechtfertigen.
Ruburt erhielt kürzlich Besuch von zwei jungen Frauen, die lebensfroh, energiegeladen und von jugendlichem Enthusiasmus erfüllt sind. Sie wollen die Welt verändern. Als sie mit dem Ouija-Brett arbeiteten, wurde ihnen mitgeteilt, daß sie tatsächlich an einer großen Aufgabe mitwirken können. Eine der jungen Frauen beabsichtigt, ihren Job aufzugeben, um sich psychologischen Arbeiten zu widmen in der Hoffnung, auf diese Weise zur Veränderung der Welt beitragen zu können. Die andere wird als Bürohilfe mitarbeiten.
Nichts ist so anregend und nichts verdient so sehr die Verwirklichung wie der Wunsch, die Welt zum Besseren zu verändern.
Tatsächlich ist dies (nachdrücklich) die Aufgabe eines jeden Menschen.
Und ihr erfüllt sie in eurem eigenen Umkreis, genau dort, wo ihr lebt und wirkt. Ihr könnt damit im Winkel eines Büros oder am Fließband oder in einer Werbeagentur oder in der Küche beginnen. Ihr fangt dort an, wo ihr euch gerade befindet.
Hätte der früher erwähnte Roger dort angefangen, wo er sich befand, dann wäre er heute ein anderer, ein glücklicherer und erfüllter Mensch. Und sein Einfluß auf all die anderen Menschen, die ihm begegnen, wäre sehr viel segensreicher.
Wenn ihr euren eigenen Begabungen lebt und gerecht werdet, wenn ihr euren persönlichen Idealismus dadurch realisiert, daß ihr ihn nach Kräften in eurem täglichen Leben zum Ausdruck bringt, dann verbessert ihr die Welt tatsächlich.
Unsere heutige Sitzung begann später, weil Ruburt und Joseph den Anfang eines Films (im Fernsehen) sehen wollten, in dem eine junge Schauspielerin auftrat, die ich Sarah nennen will. Sarah hatte Ruburt einen Brief geschrieben, in dem sie ihm von dem Film erzählte. Sarah verfügt über Begabungen, die sie als ihr Kapital betrachtet und die sie in praktischer Weise fördert und pflegt. Sie glaubt an die Möglichkeit der Gestaltung ihrer eigenen Wirklichkeit. Aufkommende Zweifel, daß es bei ihr für den Erfolg nicht reichen würde oder daß es schwierig sei, im Showgeschäft voranzukommen, brachte sie zum Verstummen. Die Freude an der darstellerischen Leistung schuf neuen Spielraum für erweiterte Kreativität und bestärkte ihr persönliches Durchsetzungsvermögen. Indem sie diese Fähigkeiten in sich entwickelt, bringt sie anderen Menschen Freude. Sie ist eine Idealistin. So will sie beispielsweise versuchen, die Qualität der Sendungen anzuheben, und sie ist bereit, den dafür notwendigen Arbeitseinsatz zu leisten.
(22.30 Uhr.) Hol doch unserem Freund ein paar Zigaretten. Ist deine Hand müde?
(»Nein.«)
Kürzlich kam hier ein junger Mann aus einer nahegelegenen Stadt vorbei, ein hochbegabter, intelligenter junger Mensch. Zwar hat er nicht die Universität besucht, doch hat er eine Fachausbildung absolviert und arbeitet jetzt als Techniker in einer nahegelegenen Fabrik. Er ist ein Idealist, der sich großen Plänen zur Entwicklung mathematischer und technischer Systeme verschrieben hat, und er ist hochbegabt auf diesem Gebiet.
Im übrigen blickt er mit Abscheu und Widerwillen auf die älteren Männer, die dort seit Jahren arbeiten, »sich am Samstagabend betrinken und nichts außer der engen Welt ihrer Familie kennen«, und er hat beschlossen, daß ihm das nicht passieren wird. Er bekam mehrere »
Anpfiffe« für »Dinge, die alle anderen auch machen«, obwohl, wie er beteuert, niemand außer ihm erwischt wird. Er fühlte sich niedergeschlagen, doch den Gedanken, die Universität zu besuchen und ein Stipendium zu beantragen, um seine Fachkenntnisse
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