Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
sind also günstig in der Herstellung. Gleichzeitig sorgt die Vielfalt für Abwechslung, und Abwechslung steigert wiederum den Konsum.
Essen mit Wirkung
Ihr Arzt verschreibt Ihnen ein Medikament, um damit Ihre Gesundheit zu fördern. Kurz bevor Sie das Behandlungszimmer verlassen, drückt der Mediziner Ihnen einen blauen und einen roten Würfel in die Hand. Ihre Aufgabe: Sie sollen mit dem blauen Würfel die tägliche Dosis Ihres Medikamentes bestimmen. Jedes Auge des Würfels steht für eine halbe Tablette. Sie nehmen also täglich die Menge von einer halben bis hin zu drei Tabletten ein, der Zufall entscheidet. Während Sie bereits Luft holen, um den Arzt nach einer Begründung zu fragen, zeigt dieser auf den zweiten Würfel und setzt seine Erklärung fort: Der rote Würfel steht für die Person, die das Medikament bekommt. Werfen Sie eine sechs, bekommt eines Ihrer Kinder die Tabletten. Bei einer fünf ist Ihr Partner dran, bei vier Ihre schwangere Freundin. Nur bei den Zahlen eins bis drei schlucken Sie selbst.
Ein Alptraum? Unsinn?
Wenn es um Mineralstoffe, Vitamine und funktionelle Zusatzstoffe geht, tun Millionen Menschen genau dies jeden Tag! Schokocreme, Cornflakes, Müsli, Bonbons und Fertiggerichte enthalten künstlich zugesetzte Vitamine oder Mineralstoffe, Ballaststoffe und Pflanzenextrakte. Was und wie viel Verbraucher davon aufnehmen, bleibt der zufälligen Lebensmittelauswahl des Tages überlassen. Kümmert sich die Oma um die Kinder, schmiert sie die Margarine gegen den hohen Cholesterinspiegel des Vaters auf die Butterbrote der Kinder.
Vitamine sind doch gesund! Sind sie das? Für jeden und in jeder Menge? Mal eben den Cholesterinspiegel des Kleinkindes mit Margarine behandeln? Warum spielen so viele Menschen Lotto mit diesen Substanzen?
Functional Food
Funktionelle Lebensmittel sind bei der Industrie sehr beliebt: Man kann sich von der Konkurrenz abheben, das Nahrungsmittel gesünder wirken lassen und einen höheren Preis verlangen. Dieser Markt ist einer der wenigen verbliebenen Wachstumsmärkte der Lebensmittelindustrie. Functional Food wird von gesundheitsbewussten Menschen gekauft, in der Mehrheit sind dies Frauen. Man beobachtet neuerdings den Trend, dass auch Übergewichtige vermehrt funktionelle Lebensmittel einkaufen.
Funktionelle Lebensmittel unterteilen sich in folgende Untergruppen:
- Mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel
- Probiotische Lebensmittel mit zugesetzten Bakterien (z.B. Joghurt und Joghurtgetränke)
- Prebiotische Lebensmittel mit löslichen Ballaststoffen (Oligosaccharide, Inulin)
- Sekundäre Pflanzenstoffe (z.B. Phytosterine in cholesterinsenkender Margarine)
Medizin aufs Brot
Viele Menschen kaufen spezielle mit Phytosterinen versetzte Margarine, die den Cholesterinspiegel senken soll. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat einen Prozess gegen einen Konzern verloren, dieser darf weiterhin behaupten, dass von dem Konsum seines Produktes keine Gesundheitsrisiken ausgehen. Foodwatch würde das Produkt am liebsten in den Händen der Apotheker sehen. Es stellt sich die Frage, warum eine wirksame Substanz in ein Lebensmittel gerührt werden muss. Substanzen, die nachweislich wirken, gehören in eine Pille. So kann man die zugeführte Menge genau dosieren, kein Kind und keine Schwangere bekommt ein Brot mit einem Wirkstoff, der für diese Zielgruppe nicht vorgesehen ist.
Da Phytosterine eine hohe Ähnlichkeit zum Cholesterin haben, besitzen sie möglicherweise das Potenzial, Arteriosklerose auszulösen. Ab welcher Menge und bei welchen Personengruppen diese Effekte eintreten könnten, ist umstritten. In diesem Fall würde der Cholesterinspiegel sinken, aber die Adern wären trotzdem verstopft! Phytosterine können sich in künstlichen Herzklappen absetzen und deren Funktion beeinflussen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch bezeichnet solche Produkte als „die Pille zum Aufs-Brot-Schmieren“. Unternehmen halten ihre Produkte für sicher.
Rückversicherer sind quasi die Versicherungen der Versicherer. Diese interessieren sich für alle Risiken, die sie in Zukunft Geld kosten könnten. Rückversicherer sehen funktionelle Gesundheitsnahrung als „Emerging Risk“ (aufkommendes Risiko). Die Kategorie der funktionellen Lebensmittel zeichnet sich durch ein besonderes Merkmal aus: Die Menschen sind sich eines möglichen Risikos nicht bewusst! Funktionelle Lebensmittel werden global im großem Stil vermarktet. Es besteht ein langfristiges
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