Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
ab: Die Burger-Gruppe rebellierte wenige Tage vor Ende der dreiwöchigen Untersuchung: Sie waren so hungrig, dass sie entschlossen waren, die Teilnahme vorzeitig zu beenden! Bei gleicher Kalorienmenge wurden die Teilnehmer der Fast Food-Gruppe nie richtig satt. Schließlich wurde in Absprache mit der wissenschaftlichen Studienleitung die Kalorienmenge in allen drei Gruppen erhöht. Dies wiederum stellte die Gruppe mit der mediterranen Kost vor eine Herausforderung. Deren Portionen wurden so groß, dass sie jetzt Mühe hatten, das ganze Essen zu verzehren.
Man kann aus dem Experiment den Schluss ziehen, dass energiedichte Nahrung wie Fast Food, die Fette, Zucker und Kohlenhydrate auf engstem Raum kombiniert, es dem Menschen sehr schwer macht, mit der gleichen Menge an Kalorien zufrieden zu sein wie bei einer anderen Kost. Frisch hergestelltes Fast Food zeigt keine messbare Beeinträchtigung der Blutwerte, erhöht jedoch das Verlangen nach mehr Kalorien.
Tim Mälzers Fazit: „Wer dabei (beim Essen) einigermaßen maßhält, frisch kocht und auf allzu viel Industriekost verzichtet, ernährt sich grundsätzlich richtig“.
Über die Gier nach Mehr
Die Entscheidung, zu essen oder nicht zu essen, treffen Mensch und Tier im Kopf. Essen ist ein sogenanntes Primärbedürfnis, genau wie Atmen, Trinken, Schlaf und Fortpflanzung. Bei der Nahrungsaufnahme belohnt das Gehirn mit guten Gefühlen. Nucleus accumbens heißt dieses Belohnungszentrum des Gehirns. Das Belohnungszentrum schüttet den Botenstoff Dopamin aus und das macht zufrieden. Das Belohnungszentrum springt immer dann an, wenn etwas passiert, das gut für das Lebewesen und seine Fortpflanzung ist.
Die Wissenschaftler können heute beim Menschen im Magnetresonanztomographen zugucken, wie das Belohnungszentrum aktiviert wird. Beim Essen erhöht sich die Aktivität des Belohnungszentrums je nach Nahrungsmittel um etwa 50 Prozent, beim Sex um 100 Prozent. Im ARD-Ernährungscheck machte Tim Mälzer einen Selbstversuch: Er aß 500 Gramm Sahnejoghurt und wurde anschließend im Magnetresonanztomographen untersucht. Man konnte sehen, dass durch die fettreiche Nahrung das Belohnungszentrum in seinem Gehirn aktiviert worden war. Beim Verzehr von Magerjoghurt reagiert das Belohnungszentrum nicht. Der menschliche Körper kann einen fetthaltigen Joghurt von der Magervariante unterscheiden. Spätestens die Sensoren des Darmhirns analysieren die Bestandteile der Nahrung. Weil Magerjoghurt nach dem Verzehr nicht zufrieden macht, ist eine fettarme Diät folglich schwer durchzuhalten.
US-Forscher haben im Jahr 2010 genau wie Anthony Scriffano Ratten mit Fast Food gefüttert, diesmal kam das Futter aus der Cafeteria der Universität. Sie wollten herausfinden, ob diese Nahrung die Aktivität des Belohnungszentrums beeinflusst und verändert. Für die Ratten standen Pommes Frites, Würstchen, Kuchen, Schokolade und Nudeln auf dem reich gedeckten Speiseplan. Es gab also Industrienahrung mit Zucker, Fett, Glutamat, Aromen und all dem, womit Menschen tagtäglich konfrontiert sind. Die Ratten nahmen an Gewicht zu, genau wie die Tiere von Anthony Scriffano, der das Futter für seine Versuchsratten im Supermarkt eingekauft hatte.
Man kann bei der Ratte messen, wie stark das Belohnungszentrum des Gehirns stimuliert werden muss, damit es anspringt. Dafür kommt die Ratte in einen Käfig mit einem speziellen Knopf. Drückt sie selbst den Knopf, so wird ihr Belohnungszentrum über einen ganz feinen Draht im Kopf aktiviert. Jetzt prüft man, wieviel Strom man auf den Draht geben muss, damit die Ratte sich für den Knopf interessiert. Sobald der eingestellte Strom das Belohnungszentrum aktiviert, drückt die Ratte den Knopf immer und immer wieder, da diese Aktivierung sehr angenehm ist. Die Ratte würde dabei sogar verdursten und verhungern, wenn man ihr den Knopf nicht weg nimmt. Mit dieser Methode kann man genau messen, wie empfindlich das Belohnungszentrum des Tieres reagiert.
Die Forscher fanden heraus, dass das Cafeteria-Essen das Belohnungszentrum der Ratte abstumpfen lässt. Bei normalem Rattenfutter braucht man weniger Strom, bis die Ratte den Knopf zu drücken beginnt, als nach einer mehrwöchigen Fütterung mit Cafeteria-Essen. Der entstehende Teufelskreis ist fatal: Das Tier frisst Fast Food, sein Belohnungszentrum stumpft ab. So braucht es anschließend mehr Nahrung, um zufrieden zu sein, folglich stumpft das Zentrum weiter ab. Dieses Prinzip führt die Ratte geradewegs in die
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