Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
in den Hof, stellten Blumenbögen auf und spannten Sonnensegel über lange Tische, an denen getafelt wurde. Pater González de Marmolejo traute uns zwischen den Mauern dessen, was heute die Kathedrale ist, damals aber noch eine Baustelle war, und jede Menge Leute nahmen teil, Weiße, Schwarze, Indios und Mestizen. Für mich hatten wir ein schneeweißes Jungfrauengewand von Cecilia umgeändert, weil keine Zeit war, Stoff für ein neues in Auftrag zu geben. »Heirate in Weiß, Inés, Don Rodrigo hat es verdient, deine erste Liebe zu sein«, meinte Cecilia, und damit hatte sie recht. Zur Trauung wurde eine gesungene Messe gehalten, und danach luden wir ein zu Spezialitäten aus meiner Küche, zu Empanadas, geschmortem Geflügel, Maiskuchen, gefüllten Kartoffeln, Bohnen mit Chili, Lamm und Zicklein vom Spieß, Gemüse aus meinen Gärten, und zu den Nachspeisen, mit denen ich eigentlich Pedro de Valdivia hatte empfangen wollen. Ohne jeden Anflug von Schuldgefühl hatte ich Weine aus dem Keller des Gouverneurs holen lassen, der auch meiner war, und so wurde das Festmahl standesgemäß begossen. Die Türen von Rodrigos Haus blieben den ganzen Tag geöffnet, und wer immer essen und mit uns feiern wollte, war willkommen. Dutzende Mischlingskinder und kleine Indios liefen zwischen den Beinen der Menge umher, und auf Stühlen, die wir in einem Halbkreis für sie hingestellt hatten, saßen die Alten unserer Kolonie. Catalina schätzte, daß dreihundert Gäste an diesem Tag bei uns vorbeischauten, aber das Zählen hat ihr nie gelegen, es können auch mehr gewesen sein. Am nächsten Morgen verließen Rodrigo und ich mit Dir und einem Gefolge aus Yanaconas die Stadt, um einige ungestörte Liebeswochen auf meinem Landgut zu verbringen.Zu unserem Schutz nahmen wir auch einen kleinen Trupp Soldaten mit, weil die chilenischen Indios häufig Reisende überfielen, die sich nicht vorsahen. Ich überließ es Catalina und meinen beiden treuen Mädchen, die ich aus Cuzco hatte kommen lassen, Rodrigos Haus möglichst behaglich herzurichten; die übrige vielköpfige Dienerschar blieb, wo sie immer gewesen war. Da erst wagte sich Valdivia mit seinen beiden Mätressen von Bord und zurück in sein Haus in Santiago, das er sauber und aufgeräumt vorfand, mit gut gefüllter Speisekammer und ohne eine Spur von mir.
Sechstes Kapitel
Krieg um Chile, 1549–1553
Man sieht, wie sich meine Handschrift im letzten Teil dieser Erzählung verändert. In den ersten Monaten schrieb ich alles selbst, doch nun ermüde ich nach wenigen Zeilen, und manchmal bin ich froh, wenn ich Dir diktieren kann; meine Schrift gleicht einem zittrigen Fliegengewirr, Deine, Isabel, ist schwungvoll und elegant. Du magst die rostrote Tinte, die neuerdings aus Spanien zu uns kommt und die ich nur mit Mühe lesen kann, aber da Du mir schon den Gefallen tust und mir hilfst, will ich Dir mein schwarzes Tintenfaß nicht aufdrängen. Wir kämen schneller voran, würdest Du mich nicht mit Fragen bestürmen, Tochter. Manchmal muß ich darüber schmunzeln, wie Du redest, in diesem weich fließenden Singsang von Chile; die harten kehligen und zischenden Laute der Hochsprache hast Du von Rodrigo und mir nie übernommen. Du redest eher wie unser Bischof González de Marmolejo, der aus Sevilla stammte. Er ist schon lange tot, erinnerst Du Dich eigentlich an ihn? Der arme Alte liebte Dich wie ein Großvater. Er starb mit siebenundsiebzig – zumindest waren das die Jahre, die er zugab –, wirkte mit seinem weißen Rauschebart und der in seinen letzten Jahren zunehmenden Neigung, die Apokalypse zu verkünden, aber eher wie ein hundertjähriger biblischer Patriarch. Seine Beschäftigung mit dem Ende der Welt hinderte ihn nicht daran, sich um höchst irdische Dinge zu kümmern und göttliche Eingebungen zur Vermögensmehrung zu empfangen. Unter seinen blühenden Geschäften war auch die Pferdezucht, die wir gemeinsam aufgebaut hatten. Aus unseren Zuchtversuchen gingen die berühmten Chilepferde hervor, zähe, elegante und gehorsame Tiere, die heute aufdem ganzen Kontinent geschätzt werden, weil sie edel sind wie Araber, aber weniger empfindlich. Der Bischof starb im selben Jahr wie die gute Catalina; er erlag dem Lungenübel, gegen das kein Heilkraut half, und sie wurde während eines Bebens von einem Dachziegel im Nacken getroffen. Es war ein sauberer Schlag, sie war tot, ehe sie merkte, daß die Erde grollte. Etwa um diese Zeit starb auch Villagra, der, verfolgt von seinen Sünden, am Ende
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