Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
würde, um diesen kahlen, unansehnlichen Soldatenschuppen in ein bewohnbares Heim zu verwandeln. Vermutlich besaß Rodrigo noch nicht einmal ein anständiges Bett und schlief auf einem Strohsack wie im Feldlager; nicht von ungefähr hattest Du Dich so rasch in meinem behaglichen Zuhause eingelebt. Diese grob gezimmerten Möbel aus Brettern und Leder mußten ersetzt werden, es fehlte Farbe, Schmuck für Wände und Fußboden mußte angeschafft werden, Arkadengänge fürschattige und sonnige Sitzplätze waren nötig, Bäume und Blumen mußte man pflanzen, im Innenhof fehlten Brunnen, und das Stroh auf dem Dach mußte durch Ziegel ersetzt werden, kurz und gut, ich würde auf Jahre hinaus zu tun haben. Ich mag solche Vorhaben. Augenblicke später trat Rodrigo durch die Tür und sah mich überrascht an, denn ich hatte ihn nie zuvor zu Hause besucht. Er hatte sein Sonntagswams ausgezogen und trug über den Beinkleidern ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln, das seine bloße Brust sehen ließ. Er wirkte fast jugendlich, und kurz war ich versucht, die Beine in die Hand zu nehmen und dahin zu flüchten, woher ich gekommen war. Wie viele Jahre trennten mich von diesem Mann?
»Gott zum Gruß, Doña Inés. Ist etwas? Wie geht es Isabel?«
»Ich bin gekommen, Euch die Ehe vorzuschlagen, Don Rodrigo. Was sagt Ihr dazu?« sprudelte ich los, weil ich doch in meiner Lage nicht um den heißen Brei herumreden konnte.
Ich muß Rodrigo rühmen, denn er nahm meinen Vorschlag mit komödiantischer Leichtigkeit an. Sein Gesicht hellte sich auf, er riß die Arme in die Höhe und stieß einen wilden Freudenschrei aus, den man von einem derart beherrschten Mann kaum erwartet hätte. Die krude Absprache, die der Gouverneur in Peru mit La Gasca getroffen hatte, war ihm natürlich längst zu Ohren gekommen; unter den Hauptleuten wurde viel darüber gemunkelt, vor allem unter den unverheirateten. Vielleicht hatte er geahnt, daß meine Wahl auf ihn fallen würde, aber er war nicht so überheblich, das als sicher anzunehmen. Ich machte Anstalten, ihm die Abmachung auseinanderzulegen, aber er ließ mich nicht sprechen, schlang so stürmisch seine Arme um mich, daß ich den Boden unter den Füßen verlor, und verschloß mir die Lippen mit seinen. Da erst spürte ich, daß auch ich diesen Moment seit über einem Jahr herbeigesehnt hatte.Ich klammerte mich mit beiden Händen an ihn und erwiderte seinen Kuß mit all der Leidenschaft, die ich so lange nicht hatte wecken wollen, um die ich mich betrogen hatte, weil ich sie für Pedro de Valdivia aufheben wollte, die aber darauf drängte, gelebt zu werden, ehe meine Frische schwand. Ich spürte, wie eindeutig er mich begehrte, fühlte seine Hände um meine Taille, im Nacken, in meinem Haar, seine Lippen auf meinen Wangen, auf meinem Hals, er roch jung, hauchte meinen Namen, und ich war selig. Wie ich von einem Moment auf den anderen aus dem Schmerz der Verlassenen in das Glück eintauchen konnte, mich geliebt zu fühlen? Ich muß wohl sehr wankelmütig gewesen sein damals … Doch schwor ich mir in diesem Augenblick, Rodrigo treu zu sein bis in den Tod, und ich habe meinen Schwur nicht nur gehalten, sondern diesen Mann auch dreißig Jahre lang geliebt, jeden Tag mehr. Es war so leicht, ihn zu lieben. Bewundernswert ist er immer gewesen, darin waren sich alle einig, aber selbst der vortrefflichste Mann besitzt in der Regel schlimme Seiten, die man nur in der Zweisamkeit gewahrt. Dieser Edelmann, Soldat, Freund und Gemahl besaß sie nicht. Er trachtete nicht danach, daß ich Pedro de Valdivia vergaß, den er achtete und liebte, ja er half mir sogar, sein Andenken zu bewahren, damit dieses undankbare Land seinen Gründer in Ehren hält, wie er es verdient, aber Rodrigo wollte mein Herz für sich gewinnen, und das ist ihm gelungen.
Als wir uns schließlich aus unserer Umarmung lösten und wieder zu Atem gekommen waren, ging ich hinaus und sagte Catalina, was zu tun war, während Rodrigo seine Tochter begrüßte. Eine halbe Stunde später trug eine Reihe Indios meine Truhen, meinen Betstuhl und die Statue unserer Señora del Socorro unter dem Beifall der Einwohner Santiagos, die nach der Messe auf der Plaza de Armas gewartet hatten, in das Haus von Rodrigo de Quiroga.
Ich brauchte zwei Wochen für die Hochzeitsvorbereitungen, weil ich nicht im verborgenen heiraten wollte, sondern mit Pomp und Trara. Rodrigos Gemäuer in so kurzer Zeit herzurichten, war ausgeschlossen, also pflanzten wir nur Bäume und Büsche
Weitere Kostenlose Bücher