Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Eroberung Chiles, der tapferste und berühmteste Soldat der Neuen Welt war nicht Manns genug, mir gegenüberzutreten, unddeshalb hatte er sich seit zwei Monaten auf einem Schiff verkrochen. Was war nur in ihn gefahren? Mir war unbegreiflich, weshalb er mich floh. War ich denn eine herrische Hexe geworden, ein Mannweib? Hatte ich zu sehr auf die Kraft unserer Liebe vertraut, hätte ich mich fragen sollen, ob er mich liebte wie ich ihn, anstatt es als unumstößlich vorauszusetzen? Nein und nochmals nein. Die Schuld lag nicht bei mir. Nicht ich hatte mich verändert, sondern er. Als er spürte, daß er alt wurde, packte ihn die Angst, wollte er wieder der ruhmreiche Soldat und jugendliche Liebhaber sein wie vor Jahren. Ich kannte ihn zu gut, an meiner Seite konnte er nicht alles abwerfen und in frischen Gewändern von vorn beginnen. Vor mir hätte er seine Schwächen oder sein Alter niemals verbergen können, und weil er mich nicht hinters Licht führen konnte, schaffte er mich aus dem Weg.
»Ich bitte Euch, Pater, lest das und sagt mir, was es bedeuten soll.« Ich hielt dem Priester den Brief hin.
»Ich kenne den Inhalt, Tochter. Der Gouverneur hat mich mit seinem Vertrauen geehrt und mich um Rat gefragt.«
»Dann ist Euch diese Gemeinheit eingefallen?«
»Nein, Doña Inés, es sind Anordnungen von La Gasca, dem obersten Vertreter der Krone und der Kirche in diesem Teil der Welt. Ich habe die Dokumente hier, du kannst sie selbst lesen. Deine ehebrecherische Verbindung zu Pedro sorgt für Entrüstung.«
»Jetzt, da man mich nicht mehr braucht, sorgt meine Liebe zu Pedro für Entrüstung, aber als ich in der Wüste Wasser fand, mich um die Kranken kümmerte, unsere Toten begrub und Santiago vor den Indios bewahrte, da war ich eine Heilige.«
»Ich weiß, wie du dich fühlst, teuerste Tochter …«
»Nein, Pater, Ihr ahnt nicht einmal, wie ich mich fühle. Ein teuflischer Hohn ist das, daß allein dieKonkubine bezichtigt wird, obwohl sie frei ist und er verheiratet. Die Niedrigkeit eines La Gasca wundert mich nicht, er ist schließlich Mönch, aber daß Pedro so feige ist …«
»Er hatte keine Wahl, Inés.«
»Ein Mann von Geblüt hat immer eine Wahl, wenn es gilt, seine Ehre zu verteidigen. Eins sage ich Euch, Pater, ich gehe nicht fort aus Chile, ich habe dieses Land erobert und geschaffen.«
»Hüte dich vor dem Hochmut, Inés! Gewiß willst du nicht, daß die Inquisition diese Angelegenheit auf ihre Weise erledigt.«
»Wollt Ihr mir drohen?« Ein Schauder überlief mich, wie stets, wenn jemand die Inquisition erwähnte.
»Nichts läge mir ferner, Tochter. Ich soll dir im Namen des Gouverneurs eine Lösung vorschlagen, damit du in Chile bleiben kannst.«
»Nämlich?«
»Du könntest heiraten«, brachte er mit gepreßter Stimme hervor und wand sich auf seinem Stuhl. »Das ist die einzige Möglichkeit, wie du hierbleiben kannst. Gewiß mangelt es nicht an Männern, die eine Frau mit deinen Anlagen und einer Mitgift wie der deinen mit Freuden heimführen. Sind deine Güter erst auf den Namen deines Mannes übertragen, kann keiner sie dir nehmen.«
Es verschlug mir die Sprache. Ich hatte Mühe, zu begreifen, daß der Priester gekommen war, mir einen solchen Schleichweg aufzuzeigen, den letzten, der mir selbst eingefallen wäre.
»Der Gouverneur will dir helfen«, sagte Marmolejo in mein stummes Starren hinein, »auch wenn er dafür auf dich verzichten muß. Siehst du denn nicht, daß es eine selbstlose Tat ist, ein Beweis seiner Liebe und Dankbarkeit?«
Nervös fächelte er sich Luft zu und verscheuchte die Sommerfliegen, während ich mich abwandte und in großen Schritten unter den Arkaden auf und ab ging, um meineFassung zurückzugewinnen. Das alles konnte unmöglich die Frucht einer plötzlichen Eingebung sein, Pedro mußte das La Gasca in Peru vorgeschlagen haben, und der hatte sein Plazet gegeben, das heißt, die beiden hatten über meinen Kopf hinweg über mein Leben entschieden. Pedros Verrat schien mir unverzeihlich, und wie eine Welle Schmutzwasser überrollte mich der Haß und füllte meinen Mund mit Galle. Ich hätte den Priester mit bloßen Händen erwürgen mögen und mußte mich zwingen, daran zu denken, daß er nur der Überbringer der Nachricht war; wer meinen Zorn verdiente, war Pedro und nicht dieser arme Greis, dem der Angstschweiß Flecken auf die Soutane malte. Jäh traf mich etwas wie ein Faustschlag in die Brust, nahm mir die Luft und machte mich taumeln. Mein Herz raste und schlug
Weitere Kostenlose Bücher