Infam
stieß er wütend hervor, ohne darauf zu achten, seine Lautstärke im Zaum zu halten.
»So habe ich es nicht gemeint«, sagte ich. »Und ich habe nicht damit angefangen.«
Anderson biss die Zähne zusammen. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass es ihn einige Mühe kostete, sich zu beherrschen, doch am Ende setzte er sich wieder hin. »Ich will nur eins«, erklärte er, »und zwar diesen Fall aufklären, ohne dabei dein Leben oder meines zu ruinieren. Wenn ich also mitkriege, dass du dich an die Ehefrau eines Verdächtigen ranmachst …«
»Ist es das, worum es hier geht?«, unterbrach ich ihn.
»Lass mich ausreden.« Er senkte seine Stimme. »Wenn ich sehe, wie du dich an Julia ranmachst und wieder zur Flasche greifst, dann mache ich mir Sorgen, ob du noch einen klaren Blick für die Dinge hast. Denn ich verlasse mich auf dich. Ist das so merkwürdig? Oder ist dir entfallen, dass ihr Sohn und ihr Mann die beiden Hauptverdächtigen in diesem Fall sind?«
»Es ist überhaupt nicht merkwürdig«, gestand ich zu. »Ich verstehe es.«
»Gut.« Anderson kippte sein ganzes Glas Eiswasser auf einmal hinunter, ehe er es mit der Nachdrücklichkeit eines Richters abstellte, der sein Urteil verkündete. Er schaute sich etwas verlegen im Speisesaal um. »Du hast morgen ein zweites Treffen mit Darwin Bishop«, sagte er.
Ich war etwas überrascht, dass Bishop eingewilligt hatte. »Was genau hat er gesagt?«
»Was immer er gesagt hat, er hat es nicht zu mir gesagt. Ich bin nur bis zu Claire Buckley vorgedrungen. Sie kümmert sich um Bishops Terminkalender.«
»Ich schätze, sie kümmert sich noch um einige andere Dinge.«
»Daran besteht kein Zweifel«, pflichtete Anderson augenzwinkernd bei. »Sal Ferraro, der Privatdetektiv, mit dem ich befreundet bin und der Bishops Hotel- und Reiserechnungen aufgespürt hat, hat mir erzählt, dass die beiden für nächsten Monat eine weitere Reise geplant haben. Juli in Paris. Bishop hat eine sehr teure Suite gebucht, für eine volle Woche, im George V, in der Nähe der Champs-Élysées.«
»Warum buchen sie nicht zwei Zimmer?«, fragte ich mich laut. »Nur um den Schein zu wahren?«
Anderson schmunzelte. »Warum hat Gary Hart sich mit einer Braut auf dem Schoß auf seiner Jacht fotografieren lassen? Warum hat Clinton es in seinem Amtszimmer im Weißen Haus getan?«
»Gute Fragen. Ich vermute, es war ihnen das Risiko wert. Oder es schien an der Zeit, den Selbstzerstörungsknopf zu drücken.«
»Ganz genau. Und darauf wollte ich auch hinaus, was Julia und dich betrifft«, sagte er.
»Schon verstanden«, erwiderte ich in der Hoffnung, es würde genügen, ihn von dem Thema abzubringen.
Er schien zufrieden zu sein. »Wirst du Darwin erzählen, dass Billy sich bei dir gemeldet hat?«, fragte er.
Ich dachte darüber nach. Streng genommen hatte Bishop das Recht, es zu erfahren – nicht nur, weil es seinen Sohn betraf, sondern auch, weil Billys Tonfall am Ende unseres Gesprächs darauf hindeutete, dass Darwin Bishops Sicherheit und die anderer Familienmitglieder auf dem Spiel stand. »Ich muss es ihm sagen«, erklärte ich schließlich. »Solange wir nicht absolut sicher sind, wer der Mörder ist, werde ich niemandes Geheimnisse für mich behalten.«
»Das seh ich auch so«, pflichtete Anderson bei, presste die Lippen zusammen und nickte nachdenklich. »Schließt das Julia ein?«, fragte er.
»Du gibst es einfach nicht auf«, stöhnte ich.
»Schließt es sie ein?«, beharrte er.
Ich musterte ihn durchdringend. »Die Antwort kennst du bereits«, erwiderte ich tonlos.
»Eigentlich nicht«, sagte er. »Aber ich habe noch eine andere Frage.« Er machte eine kleine Pause. »Warum haben wir bis jetzt noch nicht über sie als Verdächtige gesprochen?«
»Julia?«
»Sie wäre nicht die erste Frau, die ihr Kind umbringt«, bemerkte Anderson. »Sie war in der Nacht, als Brooke gestorben ist, im Haus, so wie alle anderen auch.«
»Wir haben nicht über sie gesprochen, weil keiner von uns beiden ernsthaft glaubt, dass sie irgendetwas damit zu tun hat«, erklärte ich. »Wir haben auch nicht über Billys Bruder Garret gesprochen.«
»Bleiben wir für den Moment doch erst einmal bei Julia, ja?«
»Klar.«
Er sammelte seine Gedanken. »Manche Frauen werden nach der Geburt eines Kindes depressiv, richtig? Postnatale Depression?«
Die postnatale Depression, auch Wochenbettdepression genannt, ist eine Erkrankung, die innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt auftritt, und allein in den
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