Infanta (German Edition)
über Nacht zurück sein, ich darf nicht daran denken . . . Wie man hört, ist Father Demetrio derzeit in Singapore. Er soll dort auf einem psychologischen Kongreß referieren, ich glaube, über seine berühmten Krisengespräche; bestimmt wirst Du ihn treffen und genügend Nachhilfe in jüngster politischer Geschichte erhalten. Ich kann mich also auf das Lokale und Lokalste beschränken.
Laß mich mit unserem früheren Mitbewohner beginnen. Sein Morbus zieht sich hin. Offenbar trinkt er wenig. Drei Glas Bourbon oder eine Flasche Wein am Abend, und er wäre tot, hieß es ja schon vor Jahren. Mit anderen Worten, Gussmann stirbt nicht, wie er es erwartet hat. Er hustet, lacht und lebt. Zwar liegt er – Flores erzählte es schließlich – mit Fieber im Bett, aber sein Zustand ist wohl im Moment nicht lebensbedrohlich. Gerade ernst genug, daß Mayla ihn jeden zweiten Abend besucht, wie man im Ort erfahren kann. Natürlich wünschen wir ihm das Beste. Wir haben ihn ja nie ganz aus den Augen verloren und beten daher für seinen Kreislauf, auch wenn wir alle vermuten, daß er einige Stunden an der Seite von Mayla verbracht hat. Nach meiner unseligen Ansprache, von der ich Dir berichtet habe, ist Mayla ihm gewissermaßen in den Schoß gefallen. Nur so sei das Fernbleiben von Mister Kurt zu erklären, meinte McEllis, der seitdem Zeichen von Schwermut zeigt. Der Deutsche müsse die beiden bei Zärtlichkeiten überrascht haben – eine These Dalla Rosas –, oder Mayla habe ihm etwas gestanden, wie Pacquin sich äußerte. Ich selbst neige zu der Auffassung, daß unser Gast aufgrund seiner Erfahrungen in Maylas Gesicht lesen konnte; sogar einem Theoretiker wie mir fielen ja Veränderungen an ihr auf. Am Sonntag nach der Wahl sah ich in der Messe eine trauernde Sünderin, um die sich jeder Renaissancemaler gerissen hätte, und gewiß nicht nur, um sie zu malen. Und seit ich sie so sah, stelle ich mir die Tragik vor, sich gerade dann von einer Frau abwenden zu müssen, wenn sie vielleicht am anziehendsten ist . . .«
Butterworth spitzte den Bleistift. Er saß in der Wäsche auf seinem Bett, saugte am Mundstück und ließ sich Zeit. Ein, zwei Minuten, und die Aufwallung in ihm hätte sich wieder gelegt. Nicht, daß er fürchtete, Gregorio könnte ihn mißverstehen – dafür kannten sie sich zu gut –, seine Furcht war es, sich in dem Thema zu verlieren. Seitenlang über das machtvollste Bild des Weiblichen nachzusinnen, das sich ein unberührter Christ vor Augen führen kann: Maria Magdalena. Der bleiche Priester rang sich zu abruptem Themawechsel durch, auch wenn der zweite Brief damit an Farbe einbüßte. »Ach, bevor ich es vergesse«, fuhr er fort. »Wenn Du schon in Singapore bist, solltest Du durch Raffles Hotel flanieren und einen Drink in der Writers Bar nehmen. Ich habe Dir doch von der Anzeige berichtet, auf der unser Mister Kurt in dieser Bar sitzt, wahrscheinlich hast Du das Bild inzwischen gesehen. Er war schon ein Anblick – mein Gott, ich spreche von ihm, als sei er tot, und dabei hoffen wir alle auf seine Rückkehr; Horgan verläßt die Veranda kaum noch und hält geradezu Ausschau nach ihm. Aber Du sollst natürlich nicht wegen Mister Kurt in Writers Bar vorbeisehen. Ich denke, der Ort ist im Prinzip einen Besuch wert, und würde Dich gern begleiten. Wir beide wüßten schon, auf wen wir anstießen . . .« Und Butterworth stellte eine Liste in alphabetischer Folge auf, die bei Conrad begann und mit Mrs. Woolf endete; »aber spätestens bei Faulkner«, schrieb er darunter, »wären wir betrunken.« Nach dieser Abschweifung machte er einen weiteren Sprung.
»Zurück zu den unschönen Dingen. Seit Tagen hält sich hier das Gerücht, Ex-Gouverneur P. sei unserem Ex-Präsidenten nicht etwa nach Hawaii gefolgt, sondern in seiner Privatmaschine bei Cebu gelandet. Mehrere Zeugen versichern glaubhaft, er sei mit dunkler Brille und Zigarre rauchend, begleitet von seinem Piloten und einer Unbekannten in weißem Pelz, vom Flugzeug in einen Wagen umgestiegen und Richtung Cebu-City gefahren. Wenn dem so ist, und daran zweifle ich nicht, wird er hier wohl bald wieder auftauchen. Er hat sich ja mit Absicht blicken lassen – die Hölle ist verbrannt, aber ihr Herrscher lebt. Einige Zeugen sprachen von seinem Gang. Er sei so königlich auf den Wagen zugeschritten, daß es nicht einmal zu Schmährufen kam. Aber worüber schreibe ich hier. Schluß damit. Laß mich noch ein paar Worte zu den anderen sagen.
McEllis zeigt,
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