Infanta (German Edition)
Scheck hinterlegt.
Elisabeth Ruggeri beugte sich zu ihm. Sie hielt ihm eine Zeitungsseite hin, auf der nur Namen standen. »Die Namen von Leuten, die in der Lebenden Mauer waren. Die Liste soll fortgesetzt werden. Und schau, was darüber steht: Helden. Und nun schau dir das an« – sie zeigte auf zwei Namen –, »da stehen wir beide. Du und ich. Jemand hat aufgepaßt, als wir mit dem General sprachen. Sie haben immer die Paare genannt, die zusammen in der Mauer waren.«
Neue Windstöße stellten die Palmwedel auf wie kraftloses Haar. Kurt Lukas rannte seiner Kleidung nach.
»Laß uns irgendwie zusammenbleiben«, rief Elisabeth Ruggeri.
»Ich war immer irgendwie mit irgendwem zusammen.« Er zog Hemd und Hose an. »Wenn ich daran denke, denke ich an die idiotische Verbundenheit zweier Menschen auf einem Tandem.« Er trat zu Augustin und zog ihn vom Stuhl hoch; es schüttete plötzlich. Doña Elvira und Knappsack flüchteten mit anderen Gästen unter das Buffetdach. Der Wind stürzte Flaschen um und zerrte an den Schirmen; Elisabeth Ruggeri schützte den Brief mit einem Badetuch. »Was ist los mit dir?« rief der Novize. Kurt Lukas flüsterte – »Nun kannst du ringen mit mir, aber bring mich nicht um aus Versehen.« Sie standen im strömenden Regen. Augustin streifte sein Hemd ab. »Warum gerade jetzt?« Kurt Lukas rempelte ihn. »Weil ich dich bitte. Befrei mich von dieser Frau. Als kleine Gegenleistung.« Und der Novize hebelte ihn zu Boden, setzte nach und wurde mitgerissen. Beide kugelten ein Stück und rangen dann, daß die Gelenke krachten.
Augustin war flink und biegsam. Er verstand es, sich jedem Griff zu entwinden; und er wollte gewinnen. Schon hatte er die Beinschere um die Rippen des Gegners gelegt. Schon ließ er ihn zappeln. »Eins will ich von dir wissen«, sagte er unter Gestöhn, »seh ich älter aus als gestern abend?« Zurufe schallten jetzt durch den Regen; das Buffetdach war Tribünendach geworden. »Du sollst ringen, nicht reden« – Kurt Lukas versuchte den Schwitzkastengriff. Sie kugelten sich wieder. Plötzlich wollten beide gewinnen.
»Der Kleine wird den Großen besiegen«, rief Doña Elvira; sie hatte Wetten angenommen.
Der Novize kämpfte mit dem Gewicht seines Gegners.
Er feuerte sich selbst durch Laute an. Kurt Lukas hatte sich auf den Bauch gelegt, es schien unmöglich, ihn zu wenden. Doch das Unmögliche gelang: Blitzartig warf Augustin den langen Körper herum und wandte alle Kraft auf, um ihn auf die Schultern zu zwingen. Kurt Lukas sah einen dunklen Himmel und Elisabeth Ruggeris bedauernden Blick. Sie sah auf ihn herunter, ein Badetuch in der Hand. »Ich habe Maylas Briefchen hier eingewickelt, es hätte sich sonst aufgelöst«, sagte sie, und er gab sich geschlagen. Doña Elvira vergaß ihre Trauer, sie rief, »Wir sind reich!« Ben Knappsack kassierte. Fast jeder hatte auf den Deutschen gesetzt.
Die Kämpfer lagen nebeneinander. Sie streckten ihre Zungen in den Regen und keuchten. Elisabeth Ruggeri ließ das Tuch fallen – »Alles Gute!«
Überraschend, wie das Unwetter gekommen war, zog es auch wieder ab. Die Sonne brannte. Die Stadt dampfte. Der Mittagswind drückte einen unsichtbaren Schwamm vor sich her. Kurt Lukas trocknete – wie beruhigend es war, noch im Warmen zu bleiben. In einer immer gleichen Temperatur, an die man sich anlehnen konnte wie an einen Körper. In Rom schien ja erst eine zahme Sonne, und sie rief ein irreführendes Blühen hervor, das leichtsinnig machte. Vierzehn Tage Halsweh war um diese Jahreszeit die Regel. Vor Ende April heimzufliegen wäre geradezu töricht. Und dann hätte er vielleicht Begleitung, sie könnten zu zweit das wärmer und wärmer Werden erleben bis zu der Nacht, in der in Rom der Sommer kulminierte; weiter wollte er nicht denken. Er saß auf der Rückbank eines offenen Jeeps zwischen der Sängerin und Augustin, am Steuer der Australier. Sie fuhren zum Flughafen; Doña Elvira verteilte die Wetteinnahmen. Zehn Prozent für den Verlierer, zwölf Dollar. Der Novize als Gewinner bekam dreißig Prozent, Knappsack als Eintreiber fünf. Der Rest gehörte ihr. »Dem, der das Risiko hatte«, sagte sie. Kurt Lukas war mit seinem Anteil zufrieden. Kein übler Lohn für einen Anfänger, nach Tageskurs über vierhundert Pesos. Der Australier drehte sich um. Er reichte ihm eine Sonnenbrille und eine teure Zigarre. »Wenn wir dann vom Jeep zur Maschine gehen, die Brille aufsetzen und dazu rauchen. Ein Entgegenkommen. Für den
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