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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Gratisflug.«
    Kurt Lukas übernahm den Part. Damit wäre sein Dank abgegolten. Er hielt die Zigarre, wie Arturo Pacificador sie gehalten hatte, und machte sich klein; es sollte seine längste Rolle werden. Länger als alle Zwanzigsekundenfilme zusammen, in denen er mitgewirkt hatte, und die einzige ernst zu nehmende. Knappsack drehte sich noch einmal um. »Und du, komm bald nach Infanta und sing«, rief er dem Novizen zu. »Das Totenlied auf Buddy Holly. Aber bitte nicht jetzt. Wir haben einen Flug vor uns. Und sag, wo du aussteigen willst.«
    Augustin nickte nur; er konnte weder singen noch reden. In seinen Augen lag schon Abschied. Er hatte um Mitfahrt gebeten, um die Zwölfuhrmesse noch zu erreichen. Natürlich würde er seine nächtliche Abwesenheit auf die Revolution schieben. Aber die war nun zu Ende, und damit schien alles zu Ende. Doña Elvira reichte ihm ein Taschentuch und ließ sich anstecken. Es schüttelte sie, und der Name des Jungen entfuhr ihr. Zwischen den Weinenden kaute Kurt Lukas an der Zigarre und verließ sich auf die Sonnenbrille. Ihre Gläser waren groß, ihre Bügel breit, niemand konnte sein Glück sehen. »Wann werden wir landen?«
    Der Australier schaute zum südlichen Himmel. »Vermutlich müssen wir vorher runter. In Cebu. Es hängt auch von der Lage ab.« Die Sängerin schneuzte sich. Ihr lief jetzt nur noch der Schweiß; seit ihrer Flucht aus dem Feuer trug sie den Sternenbanneranzug. »Cebu – das wäre herrlich, da machen wir dann alle Urlaub!« Ben Knappsack hielt vor einer Ampel und schaute nach hinten. Der Novize schüttelte den Kopf. »Bei der nächsten.« Zeitungsjungs umringten den Jeep, kaum zu sehen hinter ihren Packen. Stürmung der Präsidentengärten, riefen sie. Eintausendfünfhundert Paar Schuhe gefunden! Alter Minister neuer Minister! Größter Boxerfilm aller Zeiten ab morgen im Kino . . . Die Ampel sprang auf Grün. Augustin suchte Doña Elviras Hand. »Könnte ich wieder singen bei Ihnen?« Sie gab ihm noch ein Taschentuch. »Du bekämst sogar Geld.« Er segnete sie. Dann umarmte er Kurt Lukas; schon tauchte die nächste Ampel auf. Er vergesse ihm diese letzte Nacht nie. Seine Stimme klang fest. Nun war er der Beschwörende. »Sag Mayla, daß ich ihren Brief gelesen habe. Und ihn eines Tages vielleicht sogar beantworten werde. Und liebe sie für mich mit.« Sie hielten, und die Zeitungsjungs stürmten heran. Kurt Lukas strich sein Haar zurück. Er behielt die Hände im Nacken.
    »Wo gehst du jetzt hin?« fragte er.
    »Ins Seminar.«
    »Schreib mir.«
    »Bete für mich.«
    Augustin stieg aufs Trittbrett.
    »Übrigens ringst du nicht schlecht.«
    »Es geht«, sagte Kurt Lukas. »Wirst du sie wiedersehen?«
    »Ich glaube nicht. Ich glaube, ich schaff es.«
    »Was?«
    »Die ganze Welt zu lieben!«
    Die Ampel zeigte Grün. Die ersten Autos fuhren. »Raus jetzt«, rief Knappsack und ließ die Kupplung kommen. Der Novize sprang ab. Er lief nebenher. »Letzte Hand«, sagte er und streckte den Arm.
    Kurt Lukas ergriff die Hand.
    »Wann seh ich dich wieder?«
    »Wenn ich Priester bin!« Augustin rannte jetzt.
    »Du wirst aber keiner. Du bist der geborene Liebhaber!«
    »Ich? Das bist du!«
    »Er wird noch überfahren«, rief Knappsack.
    »Grüße Horgan von mir und die anderen!«
    »Das werde ich tun!«
    »Ich mag dich, Father Lukas!«
    »Und ich mag dich . . .«
    Sie ließen sich los. Vier, fünf, sechs Jeepneys schoben sich vor den Novizen, alle beflaggt; er kam unbeschadet über die Straße. Kurt Lukas sank in den Sitz. »Auch ein Taschentuch?« fragte Doña Elvira.

4

L ieber Bruder! Bist Du gut in Singapore angekommen? Unsere Gesellschaft soll dort ja ein schmuckes Haus besitzen. Wir waren alle überrascht, als wir durch De Castro von Deinem Ortswechsel erfuhren; mein erster umfangreicher Brief, der vor zwei Wochen (wie üblich mit italienischer Diplomatenpost) nach Rom ging, wird Dir hoffentlich umgehend nachgesandt werden, wenn er Dich nicht schon erreicht hat. Auf jeden Fall solltest Du diesen Brief sofort aus der Hand legen, wenn Du den nach Rom gegangenen noch nicht gelesen hast. Du würdest sonst die Welt nicht mehr verstehen. Und Deine Annäherung bis auf wenige Flugstunden deute ich als Wissensdurst. Die Ewige Stadt liegt wohl doch etwas fern, um die Ereignisse hier beurteilen zu können – Dein jetziger Standort scheint mir dagegen ein günstiger und zugleich sicherer Vorposten. Sobald feststeht, ob unsere Revolution ihren Namen verdient, könntest Du

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