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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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auf die Tür zu. Da Clarissa nicht wich, stemmte er sich gegen meinen Druck und blieb einen Meter vor dem Eingang stehen. Er fing an, den Karton abzusetzen, und mir blieb nichts anderes übrig als es ihm auf meiner Seite nachzutun.
    „ Und wer ist dieser Sebastian?“
    Ich kam zu ihnen herum.
    „ Wir waren zusammen in der Schule. Sebastian, das ist meine Mutter Clarissa Tangel – Clarissa, das ist Sebastian Forberig.“
    Er streckte ihr seine rechte Hand entgegen. Sie starrte ihm weiter in die Augen und sah immer mal leicht irritiert hoch zu einem Punkt knapp über seinem Kopf. Die Arme ließ sie gegen den Türstock gestützt.
    „ Tut mir leid, Clarissa, das ging alles so schnell. Sebastians Eltern verlassen die Stadt und haben ihr Haus schon verkauft. Morgen ziehen die neuen Besitzer ein. Er weiß schlicht nicht wohin.“
    „ Das hier ist immer noch mein Haus“, beharrte sie und blieb stur wie ein Ziegenbock in der Tür stehen. Langsam wurde mir die Sache peinlich, zumal ich über uns in der Schlucht der Hinterhof-Häuserwände ein Fenster hatte aufgehen sehen.
    „ Hast du nicht zugehört? Er weiß nicht, wohin!“
    Sebastian räusperte sich.
    „ Na ja, ich könnte bei Onkel Kurt mal fragen, dem Bruder meiner Mutter.“
    „ Kommt nicht in Frage“, unterbrach ich ihn.
    „ Die Geschichte stinkt“, fauchte Clarissa. Ich trat zwei Schritte auf sie zu und dämpfte die Stimme, da ich ein weiteres Fenster hatte aufgehen hören.
    „ Was ist denn bloß los mit dir? Wir haben doch genug Platz.“
    „ Der Platz ist nicht das Problem“, gab sie zurück, ohne mich anzusehen. Sie ließ Sebastian nicht aus den Augen und schaute dabei immer wieder über ihn, als habe er jemanden auf den Schultern sitzen.
    „ Und was ist bitte das Problem?“, fragte ich, obwohl ich im Gegensatz zu ihr das wahre Problem kannte. Clarissa sah so viel wie ich, vielleicht noch mehr, doch konnte sie das Wenigste einordnen. Es machte ihr Angst, bestimmte Dinge zu sehen, schon immer, und seit jeher hatte sie ihre Angst in Form von Wut ausgedrückt.
    Sie deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Sebastian.
    „ Er ist das Problem.“
    Sebastian trat von einem Fuß auf den anderen vor Peinlichkeit. Er zupfte mich am Ärmel.
    „ Komm, Vera, wir laden den Karton wieder ein. Fahr mich bitte zu Onkel Kurt. Oder du kannst mir auch ein Taxi rufen.“
    Ich nahm als entschiedene Geste seine Hand, ohne Clarissa aus den Augen zu lassen.
    „ Er ist mein Gast.“
    „ Und das ist mein Haus.“
    „ Aber ich zahle dir Miete für den Laden, also mach bitte den Weg frei.“
    „ Der zieht hier nicht ein!“
    Die ersten drei Worte hatte sie langsam und relativ leise gesprochen, die letzten beiden mir fast entgegen geschrien. Rechts von mir ging im selben Augenblick eine rapide Veränderung vor. Sebastians Hand schien von einer Sekunde zur anderen zehn Grad kälter und patschnass geworden zu sein. Ich schüttelte sie erschrocken ab, während er sie mir schon entriss.
    „ Da passiert endlich mal was in Ihrem langweiligen Betrügerleben und fordert Sie heraus“, knurrte er. Seine Stimme klang verändert, sie schien zu blubbern und zu brodeln. „Aber Sie haben mal wieder Angst vor Ihrer eigenen Stärke!“
    Ich drehte den Kopf zu ihm, unsere Blicke spiegelten sich. Er erkannte mein Entsetzen, entsetzte sich daran und wurde mit einem Ruck wieder er selbst.
    „ Tut mir leid, Vera, ich...“
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Clarissa die Arme hatte sinken lassen und zwei Schritte nach innen zurückgewichen war. Über uns begannen Leute zu tuscheln. Ich fasste mich, griff Sebastians Hand, die wieder warm zu werden begann, zog ihn zum Hintereingang, schob Clarissa dabei weiter hinein in den Flur, was sie willenlos geschehen ließ, und schloss von innen die Tür.
    „ Sebastian zieht hier ein, basta. Wir werden damit fertig.“
    Ich meinte nicht nur uns drei, und die beiden begriffen sofort, was ich gemeint hatte – auch wenn sie es mir nicht hätten erklären können, wenn ich sie danach gefragt hätte.

Kapitel 19: Es schaut in die Zukunft
     

    „ Warum tust du das?“, fragte Sebastian leise. Er hockte auf einem Korbstuhl unter dem Fenster der Kammer, die ich wegen ihrer kellerartigen Klammheit sonst als Abstellplatz für kalte Platten nutzte. Wir hatten eine Matratze hereingeschleppt, und ich war gerade dabei, sein Bett zu beziehen.
    „ Keine Ahnung, Sebastian.“
    „ Deine Mutter hasst mich.“
    „ Sie hasst nicht dich.“
    Er schnaubte und spielte

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