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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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schon ewig zusammen.
     

    Diese Wendung machte dann die Besprechung seiner Aufzeichnungen etwas heikel. Völlig vermasselt wurden sie von Clarissa, aber der Reihe nach.
    Ich klopfte an die Tür seiner Kammer und fand ihn beim Schreiben.
    „ Machst du Nachträge?“, fragte ich verwundert. „Ich hab nämlich deinen Text gelesen und wollte mit dir darüber sprechen.“
    „ Nein, nein, das ist nur... Ich will ein paar Anwälte anschreiben. Der Herr Wendelin Forberig muss mehr Geld herausrücken.“
    Ich nickte. Über das Thema hatten wir schon oft genug gesprochen und kannten unsere Standpunkte.
    „ Kommst du mal mit?“
    „ Klar.“
    Er stand auf und folgte mir von der Kammer an der Küche vorbei die Treppen hoch. Meine Wohnung lag im ersten Stock, die Clarissas im zweiten. Sie hatte darauf bestanden, das obere Stockwerk zu nehmen, nachdem wir vergangenes Jahr die Leute herausklagen konnten, die dort gehaust hatten, ohne je einen Pfennig Miete zu zahlen. Treppensteigen hält fit, war ihre Begründung.
    „ Moment mal“, protestierte Sebastian, als ihm klar wurde, dass wir auf dem Weg zu Clarissa waren. „Ich dachte, wir sprechen über mein Manuskript?“
    „ Tun wir auch. Ich will, dass Clarissa dabei ist.“
    „ Will sie das auch?“
    „ Sie scheint zumindest neugierig zu sein.“
    „ Und ob ich sie dabei haben will, fragt niemand?“
    Ich blieb stehen und seufzte. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, ging er an mir vorbei nach oben.
    „ Schon gut. Ich wollte schon lang mal ihre Wohnung sehen.“
    Ich hielt ihn am Ärmel fest.
    „ Hör zu, sie verdient ihr Geld mit Kartenlegen und so weiter. Eine gute Show ist dabei die halbe Miete. Mach dich also auf was gefasst.“
    „ Alles klar.“
    Das spöttische Grinsen verging ihm schon in ihrem komplett schwarz gestrichenen, möbellosen und von Räucherstäbchenqualm durchsetzten Flur. Da ich ihr angedeutet hatte, worum es ging, hatte sie natürlich alle Geschütze aufgefahren und sich in ihrem Besprechungsraum in einer Weise selbst in Szene gesetzt, die sogar mich beeindruckte. Schattenhaft, mit aufgeplusterter Perücke unter ihrem Hut und einem wallenden schwarzen Umhang kauerte sie hinter ihrem von einem schwarzen Tuch verhüllten Tisch, die Kristallkugel vor sich, ein Päckchen Tarot-Karten und ihr unvermeidliches Glas Gin griffbereit, und wirkte im flackernden Kerzenlicht und umnebelt vom Rauch ihrer Zigarillo selbst wie der Dämon, den sie mit all dem Hokuspokus zu vertreiben gedachte.
    „ Wow!“, sagte Sebastian leise. „Und das soll helfen?“
    Ich schloss die Tür hinter uns, bot ihm einen der freien Stühle an, setzte mich selbst auf den anderen, und wir bildeten damit ein Dreieck mit der Kristallkugel in der Mitte.
    „ Darf ich anfangen?“, fragte ich.
    „ Bitte sehr“, krächzte Clarissa. Sie starrte Sebastian durchdringend an. Dem wurde sichtlich unbehaglich, und deshalb stellte er die ziemlich unnötige Frage:
    „ Sie sind also so eine Art Wahrsagerin?“
    Sie knurrte ärgerlich, und noch bevor ich dazwischen gehen konnte, fauchte sie ihn an:
    „ Ich bin eine Hexe, Bürschchen. Und du bist vom Teufel besessen!“
    „ Dann müsste ich Ihnen doch eigentlich sympathisch sein.“
    „ Ganz im Gegenteil. Wir Hexen haben den Satan schon immer bekämpft.“
    „ Ach so“, sagte Sebastian nur.
    „ Du bist keine Hexe, Clarissa“, mischte ich mich ein, um dem Unfug ein Ende zu bereiten.
    „ Du bist auch eine“, bekam ich zu hören. Womit wir wieder bei unserem lebenslangen Thema gewesen wären.
    „ Wir sind beide keine. Hexen sind Märchenfiguren, genau wie der Teufel. Wir sollten dieses Gespräch nicht zur Farce machen, bevor es überhaupt beginnt. Es ist verdammt ernst.“
    „ Soll ich nun helfen oder nicht?“, fragte sie beleidigt.
    „ Du sollst, aber bitte ernsthaft.“
    „ Was soll das überhaupt werden?“, fragte sie.
    „ Das frag ich mich auch“, sagte Sebastian leise.
    „ Hilfst du uns nun?“, fragte ich.
    Sie lehnte sich zurück und nickte. Als ich jedoch Sebastians Bericht auf den Tisch legen und die erste Frage aufwerfen wollte, beugte sie sich wieder nach vorn und unterbrach mich mit einer Handbewegung.
    „ Ich muss das alles gar nicht wissen. Es gibt nur einen Rat, und es ist seine Sache, ob er sich daran hält.“
    „ Und der wäre?“
    „ Stark sein und widerstehen. Das betrifft übrigens auch dich.“
    „ Clarissa...“
    „ Wir haben alle unsere Dämonen. Aber wir haben auch einen freien Willen. Es ist allein

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