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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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aus Sebastian.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „ Sie ist viel mächtiger als du denkst. Und mit mir wirst du auch kein so leichtes Spiel haben wie es jetzt vielleicht den Anschein macht.“
    Ich fühlte mich stark in diesem Moment. Ganz ich selbst war ich und immun gegen den Versuch des Dings, auf mich überzuspringen und mich zu vereinnahmen. Sebastian zuckte zurück, machte zwei Schritte nach hinten und packte das Treppengeländer.
    „ Du!“
    Er zeigte mit dem Finger auf mich, drehte sich um, lief halb die Treppe hinunter, zeigte immer noch auf mich, während er aus meinem Sichtfeld verschwand.
    „ Du wirst dich noch wundern!“, hallte es von unten herauf. Ich lehnte mich an die Tür und schloss die Augen.

Kapitel 21: Griff in die Kasse
     

    Am nächsten Morgen war er wieder Sebastian und nur Sebastian: reuevoll, lieb und trottelig.
    Und so blieb er auch für die nächsten Wochen, arbeitete fleißig im Geschäft mit, schleppte abends Töpfe, Deko-Material und kalte Platten, half mir beim Aufräumen und beim Abwasch, und wenn er frei hatte, hockte er in seiner Kammer und lernte.
    Gelegentlich versuchte er, mir näherzukommen, schien sich aber damit abzufinden, dass ich das nicht wollte. Drei, vier mal kam es mir so vor als ringe er mit sich, als flamme der Dämon in ihm auf und wolle ihn lenken und zu irgendwas verleiten, aber er sprach nicht mehr mit dessen Stimme und tat auch nichts, was nicht zu seiner Rolle als Sebastian Forberig gepasst hätte.
    Allerdings gewöhnte er es sich an, alle paar Tage mal für viele Stunden mit dem Fahrrad zu verschwinden, ohne sich abzumelden. Natürlich fragte ich mich, wo er sich herumtrieb, dachte an die Schlossruine im Wald, aber ermahnte mich dann selbst, dass mich das nichts anginge. Er war ein freier Mensch und bei mir nur zu Gast.
    Während einem seiner Ausflüge, es war der letzte Abend im August, kam Clarissa zu mir herunter in den Laden. Ich hockte über der monatlichen Buchhaltung, war froh, gerade hineingefunden zu haben in diese verhasste Zwangsarbeit, und schwer genervt davon, dass sie mich wieder herausriss.
    „ Was ist denn?“, fragte ich etwas zu unfreundlich und bereute es gleich wieder. Sie stellte sich direkt vor meinen Schreibtisch, warf mir ihre Geldbörse hin und schaute mich an.
    „ Was soll ich damit?“
    „ Zähl nach.“
    „ Wozu?“
    „ Tu’s einfach.“
    Ich klappte die Geldbörse auf und schaute hinein.
    „ Zwei Fünfziger, etwas Kleingeld – und?“
    „ Vorher waren es vier Fünfziger und drei Hunderter.“
    „ Sagst du mir vielleicht mal...“
    Sie nahm mir die Geldbörse aus der Hand und steckte sie in die Hosentasche.
    „ Dein Freund klaut.“
    „ Was?!“
    „ Ich war gestern erst auf der Bank und seitdem in keinem Geschäft.“
    „ Vielleicht hast du nur 100 Mark abgehoben.“
    „ Ich hebe immer 500 Mark ab.“
    „ Oder den Rest woanders deponiert?“
    „ Hältst du mich für so blöd, dass ich nicht mal mehr weiß, wo ich mein Geld aufbewahre?“
    „ Und wie soll er an deinen Geldbeutel gekommen sein?“
    „ Er weiß doch, dass meine Wohnungstür immer offen ist.“
    „ Und du warst zu Hause und hast nichts gemerkt?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „ Wie denn auch, wenn ich vielleicht gerade eine Klientin hatte. Hast du übrigens schon mal in deine Ladenkasse geschaut?“
    „ Das ist doch absurd!“
    „ Hast du?“
    „ Heute noch nicht. Ich wollte erst mal den Monatsabschluss machen.“
    „ Dann tu es jetzt.“
    Ich seufzte, aber stand auf und ging mit ihr hinüber in den Laden. Natürlich war ich überzeugt davon, ihr das Gegenteil zu beweisen. Doch es war nicht mal nötig zu zählen: Alle Banknotenfächer waren leer geräumt.
    „ Das gibt’s doch einfach nicht!“
    „ Wie viel fehlt?“
    Ich überflog die Kassenzettelrolle und ließ mich auf den Hocker hinter der Ladentheke sinken.
    „ Und?“
    „ Die Tageseinnahmen von gestern und heute. Ich hatte gestern Abend keine Lust, eine Geldbombe zum Nachtschalter zu bringen. Insgesamt etwas über 700 Mark.“
    „ Und wo ist er jetzt?
    „ Keine Ahnung. Mit dem Fahrrad unterwegs.“
    „ Hat er was gesagt, wo er hin will?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „ Aber mit nur 1.000 Mark per Fahrrad und ohne Gepäck kann er ja nicht weit kommen.“
    Clarissa schnaubte.
    „ Was?“, fragte ich gereizt.
    „ Hast du schon mal eine Inventur gemacht, seit er hier arbeitet?“
    „ Nein, natürlich nicht. Aber die meiste Zeit saß ich an der Kasse.“
    „ Was jetzt? Willst du

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