Infernal: Thriller (German Edition)
gefesselten Händen und Füßen in einem dunklen Raum vergewaltigt wurde.«
»War Vergewaltigung eine von Janes heimlichen Ängsten?«
»Es ist eine heimliche Angst jeder Frau.«
»Was ist mit Ihnen? Sie müssen mehr als einmal dicht vor einer Vergewaltigung gestanden haben? Kriegsgebiete sind voll von Männern. Teenagern mit Gewehren.«
»Ich kann ganz gut auf mich aufpassen. Jane war viel weicher als ich.«
Lenz nickt langsam. »Wenn wir Jane morgen finden würden – lebendig –, was würden Sie zu ihr sagen? Mit anderen Worten, was bedauern Sie am meisten, nicht gesagt zu haben?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Ich habe Ihnen erklärt, warum ...«
»Manche Dinge sind zu persönlich, Doktor. Belassen wir es dabei.«
Lenz reibt sich mit den Händen das Gesicht, dann sieht er mir in die Augen. »Vor einigen Jahren habe ich an einem sehr schwierigen Mordfall gearbeitet. Im Verlauf der Ermittlungen verlor ich meine Frau. Sie wurde ermordet. Brutal und bösartig. Und ich fühlte mich verantwortlich. Vielleicht war ich es auch. Wir hatten uns in unserer Ehe auseinander gelebt, doch das verringerte den Schmerz kaum. Wir alle haben den Menschen, die wir lieben, schreckliche Dinge angetan, Jordan. Das liegt in unserer Natur. Wenn es zwischen Ihnen und Ihrer Zwillingsschwester so einen Vorfall gegeben hat, würde es mir bestimmt dabei helfen, Jane Lacour so zu sehen, wie sie wirklich war.«
Der Schmerz in Lenz’ Augen wirkt echt, doch er ist ein alter Hase in diesem Spiel. Er hat vielleicht eine ganze Serie von Geschichten wie diese auf Lager – Asse, die er nach Bedarf aus dem Ärmel zieht, um seinem Gegenüber Intimitäten zu entlocken.
»Es gab nichts dergleichen.«
Er atmet frustriert durch die Nase ein, und ich muss unwillkürlich an einen Chirurgen denken, der versucht, eine Kugel herauszuoperieren, die behandschuhten Finger in den Griffen einer Zange, um zuerst den einen Winkel zu probieren, dann den nächsten, bis er den besten Weg zum Zentrum der Wunde gefunden hat.
»Gewisse Typen werden immer wieder zu Zielen für zweibeinige Raubtiere«, fährt Lenz fort. »Auf die gleiche Weise, wie verletzte oder geschwächte Tiere von Leoparden als Beute ausgespäht werden. Gewisse Kinder werden immer wieder belästigt, beispielsweise die Scheuen, Schüchternen, die nicht richtig dazugehören, die immer am Rand der Gruppe spielen und sich aus den verschiedensten Gründen absondern. Das Gleiche gilt selbstverständlich für Erwachsene. Ich bin gegenwärtig dabei, ein Profil jedes bekannten Opfers in diesem Fall zu erstellen. Einige hatten ein sehr geringes Selbstbewusstsein, andere waren überdurchschnittlich erfolgreich. Einige hatten Geschwister, andere nicht. Einige waren Hausfrauen, andere machten Karriere. Ich muss herausfinden, was ...«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß, Doktor.«
»Sie haben nicht einmal angefangen damit«, entgegnet Lenz, und wieder blitzt Grausamkeit aus seinen Augen, während er sich zurechtsetzt. »Warum haben Sie niemals geheiratet, Jordan?«
»Ich war verlobt. Er wurde ermordet. Ende der Geschichte.«
»Ermordet? Wie?«
»Er war Reporter bei ITN. Sein Helikopter wurde über Namibia abgeschossen, und er wurde von Milizen zu Tode gefoltert.«
»Sie haben Ihren Vater, Ihre Zwillingsschwester und Ihren Verlobten durch Gewaltverbrechen verloren?«
»Aller bösen Dinge sind immer drei, heißt es nicht so?«
»Sie sind vierzig Jahre alt. Ihr Liebesleben beschränkt sich doch sicherlich nicht auf eine einzige Beziehung?«
»Ich hatte Liebhaber. Sind Sie jetzt glücklich?«
»Hatte Jane Liebhaber?«
»Einen Freund während ihrer Zeit an der High School, wie ich schon sagte. Sie hatte niemals Sex mit ihm.«
»Woher wissen Sie das?«
»Man weiß es eben, okay? Nach ihm traf sie sich mit vielen anderen, doch es war nichts Ernstes dabei. Als sie später am College war, lernte sie einen Jungen aus einer reichen Familie in New Orleans kennen. Sie heirateten im Abschlussjahr seines Jurastudiums. Sie hatte den attraktivsten, zuverlässigsten Versorger gefunden, den sie sich vorstellen konnte, gebar ihm zwei Kinder und lebte glücklich bis an ihr Ende.«
Aus irgendeinem Grund schießen mir bei meinen Worten die Tränen in die Augen. »Ich brauche einen Drink. Glauben Sie, dass es irgendwo an Bord ein paar von diesen kleinen Fläschchen gibt?«
»Nein, Jordan. Ich möchte, dass Sie ...«
»Hören Sie auf! Okay? Sie wollten Ihre Geschichte, Sie haben sie. Jane und ich sind
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