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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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schon hier … du hast mich nur nicht gesehen.« Um diese Uhrzeit brannte nur noch eine Notlampe im Zimmer, drei der vier Ecken lagen in Dunkelheit. Aus einer dieser dunklen Ecken tauchte Angelese auf.
    »Ich bin froh, dass du das Zimmer bekommen hast«, sagte der Engel.
    »Das war ganz leicht. Danke für den Tipp mit dem Footballspiel.«
    »Männer sind doch so leicht zu manipulieren, findest du nicht?«
    »Ja, aber ich glaube, er hätte es mir am Ende so oder so gegeben. Er wollte mich nur ein bisschen zappeln lassen, wegen der Sache in der Dusche.« Cassie sah angestrengt hin, als der Engel ganz ins Licht trat. »Und du warst die ganze Zeit da drin, im Dunklen?«
    »Ja. Ich hab dir doch gesagt, dass Caliginauten es gerne dunkel haben. Wir wurden gezüchtet, um im Dunkeln zu leben. Engel, die da hingehen, wo die Teufel sind.«
    »Wenn jetzt R.J. hereinkäme«, wollte Cassie wissen, »dann könnte er dich also nicht sehen?«
    »Nö.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er ein Mensch ist.«
    »Das bin ich auch.« Cassie hatte das Gefühl, das noch einmal betonen zu müssen.
    »Du bist mehr als das.« Angeleses Worte hallten wider. »Du bist eine Tochter des Äthers.«
    Das vergesse ich immer , dachte Cassie. »Ich hab mir Sorgen gemacht. Als ich aus der Dusche kam, hab ich stundenlang nichts von dir gehört. Nach dem, was diese Kreatur mit dir gemacht hat. Ich dachte schon, du wärst tot.«
    Angelese hatte noch nie so real ausgesehen. Das dünne weiße Gewand leuchtete beinahe, wie auch ihr ebenso weißes Haar. Sie schimmerte, doch dieses Mal stand sie da in Fleisch und Blut, nicht als Projektion durch irgendeinen Zauber. Sie setzte sich aufs Bett. »Engel sind in den niederen Ebenen unsterblich: Im Himmel, in der Hölle und an einigen anderen Orten. Aber hier in der Welt der Lebenden können wir sehr wohl sterben. Allerdings bedarf es dazu einer ganzen Menge.«
    »Du hast aber auch eine ganze Menge durchgemacht«, meinte Cassie stockend. Sie musste wieder daran denken, wie bösartig der Engel von den Klauen und Zähnen des Umbraphantoms gequält worden war. Das Blut war geradezu aus ihr herausgeströmt, Blut so rot leuchtend wie Neonlicht.
    »So viel kann ein Umbraphantom nicht ausrichten«, fuhr Angelese mit ihrer Erklärung fort. »Es kann niemanden töten – das ist eine der Regeln. Durch eine Beschwörungsformel wird es zum Leben erweckt, aber die Beschwörung ist nicht so mächtig, dass das Phantom außerhalb seines Herrschaftsgebiets töten könnte. Es kann mich nur verletzen.« Unbewusst fuhr sie mit einem Finger eine der Narben nach, die aus dem Kragen ihres Gewandes herausragte. Cassie bemerkte neue Narben um die Knöchel herum und an den Armen.
    »Engel sind stärker als Menschen, physisch und mental. Wenn wir Freude empfinden, ist sie zehnmal größer als die Freude, die du empfinden könntest.«
    »Aber dasselbe gilt auch für den Schmerz, vermute ich mal.«
    Angelese nickte lächelnd. »Aber die Narben heilen relativ schnell. Sie verschwinden zwar nie vollständig, aber doch beinahe.« Sie hob den Saum ihres Gewandes über die Knie. Wieder musste Cassie schlucken. Die Haut des Engels war von Wunden unterschiedlicher Tiefe und Schwere übersät wie von einem Netz. Manche waren mit verkrustetem Blut bedeckt, andere sahen aus wie dicke Wulste aus fleischfarbenem Wachs, und darunter konnte man noch schwach weitere Linien erkennen, wie Spinnweben.
    »Also dieses Zimmer ist – was noch mal?«, fragte Cassie. »Ein Totenpunkt?«
    » Todes punkt. Nicht zu verwechseln mit einem Totenpass. Ein Todespunkt ist einfach nur ein Ort, wo sich Tragödien häufen. Ich habe dir ja erzählt, was in diesem Raum vor langer Zeit passiert ist. Caliginauten fühlen sich wunderbar an Todespunkten, aber es gibt andere Arten von Engeln, die nicht einmal in die Nähe eines solchen Raumes kommen könnten. Deshalb werden uns jeweils bestimmte Pflichten übertragen.«
    Pflichten , wiederholte Cassie in Gedanken. »Du bist nicht aus freien Stücken hier, richtig? Ich meine, wer lässt sich schon gerne von diesem Schattenvieh quälen? Du bist hier, um einen Auftrag zu erledigen. Jemand hat dir befohlen, hierher zu kommen, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Wer?«
    Angeleses Lächeln wurde breit, und die dunklen Ecken des Zimmers schienen sich zu erhellen, als sie antwortete: »Gott.«
    Darauf gehe ich jetzt mal nicht näher ein , dachte Cassie. Sie war müde und nicht besonders gut gelaunt. Sie legte sich auf die Pritsche. »Ich will nicht mehr

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