Inferno
die auch der Geburtsort vieler alter niederländischer Meister war sowie des brillanten Künstlers M. C. Escher.
Langdon hatte gelesen, dass die kraftvollen Vorfahren der heutigen Friesenpferde in Gestalt und Form der Inspirationsquell für die Rosse von San Marco gewesen waren. Laut einer Website waren die kupfernen Pferdestatuen so schön, dass sie zum meistgestohlenen Kunstwerk der Geschichte geworden waren.
Bis dahin hatte Langdon geglaubt, diese zweifelhafte Ehre gebühre dem Heiliggeistaltar , und so hatte er auf der ARCA -Website nachgesehen, um seine Theorie zu bestätigen. Die »Association for Research into Crimes Against Art« bot zwar keine definitive Rangliste, aber eine vollständige Geschichte aller Skulpturen, die wiederholt Opfer von Raub und Plünderungen geworden waren.
Die vier Kupferpferde waren im vierten Jahrhundert von einem unbekannten griechischen Künstler auf der Insel Chios gegossen worden und dort auch verblieben, bis Kaiser Theodosius II . sie nach Konstantinopel geholt und im Hippodrom hatte ausstellen lassen. Dann, während des 4. Kreuzzugs, als venezianische Truppen plündernd durch Konstantinopel zogen, hatte der Doge angeordnet, die wertvollen Statuen per Schiff nach Venedig zu transportieren, ein Unterfangen, das aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts zu jener Zeit fast unmöglich gewesen war. 1254 waren die Pferde in Venedig angekommen und in die Fassade des Markusdoms eingefügt worden.
Mehr als ein halbes Jahrtausend später, im Jahre 1797, hatte Napoleon Venedig erobert und die Pferde für sich beansprucht. Sie waren nach Paris gebracht worden und hatten dort den arc de triomphe du Carroussel gekrönt. Schließlich, im Jahre 1815, nach Napoleons Niederlage bei Waterloo, waren die Statuen wieder vom arc heruntergeholt, nach Venedig gebracht und an ihren alten Platz über dem Hauptportal des Markusdoms gestellt worden.
Die Geschichte der Pferde war Langdon zwar weitgehend bekannt, doch enthielt der ARCA -Artikel eine erstaunliche Passage:
Die schmückenden Brustriemen wurden 1204 von den Venezianern angebracht. Sie sollten verschleiern, dass man den Pferden die Köpfe abgetrennt hatte, um sie besser von Konstantinopel nach Venedig transportieren zu können.
Der Doge hat befohlen , den Rossen von San Marco die Köpfe abzutrennen? Eine unerhörte Vorstellung.
»Robert?«, riss Sienna ihn aus seinen Gedanken.
Er drehte sich um und sah, wie sie sich einen Weg durch die Menge bahnte, Ferris neben sich.
»Die Pferde sind das Gedicht!«, rief Langdon aufgeregt. »Ich hab’s!«
»Was?« Sienna wirkte verwirrt.
»Wir suchen nach dem verräterischen Dogen, der irgendwelchen Pferden den Kopf abgetrennt hat, richtig?«
»Ja?«
»Das Gedicht bezieht sich nicht auf echte Pferde.« Langdon deutete zur Fassade des Markusdoms, wo ein Sonnenstrahl direkt auf die vier Kupferstatuen fiel. »Sondern auf die da !«
KAPITEL 73
An Bord der Mendacium zitterten Dr. Elizabeth Sinskey die Hände. Gebannt verfolgte sie das Video im Arbeitszimmer des Provosts, und obwohl sie schon viele schreckliche Dinge in ihrem Leben gesehen hatte, jagte Bertrand Zobrists unerklärlicher Film ihr einen eisigen Schauer nach dem anderen über den Rücken.
Auf dem Bildschirm vor ihr waberte der Schatten eines hakennasigen Gesichts auf der triefenden Wand einer unterirdischen Kaverne. Der Schatten redete weiter und beschrieb stolz sein Meisterwerk mit Namen »Inferno«, das die globale Bevölkerung dezimieren und so die Welt retten sollte.
Gott schütze uns , dachte Sinskey. »Wir müssen …«, setzte sie mit bebender Stimme an, »… wir müssen diesen unterirdischen Ort finden. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
»Schauen Sie weiter«, erwiderte der Provost. »Es wird noch seltsamer.«
Plötzlich wurde der Schatten der Maske immer größer auf der nassen Wand, dann trat eine Gestalt ins Bild.
Herr im Himmel!
Sinskey starrte auf einen mittelalterlichen Pestdoktor mit schwarzem Mantel und furchteinflößender Schnabelmaske. Die Gestalt trat auf die Kamera zu, bis die Maske das gesamte Bild ausfüllte.
»›Die heißesten Orte der Hölle sind reserviert für jene, die in Zeiten moralischer Krisen nicht Partei ergreifen.‹«, sagte sie.
Sinskey bekam eine Gänsehaut. Es war das gleiche Zitat wie das, das Zobrist für sie am Ticketschalter der Fluggesellschaft hinterlassen hatte, als sie ihm vor einem Jahr in New York ausgewichen war.
»Ich weiß«, fuhr der Pestdoktor fort, »dass
Weitere Kostenlose Bücher