Inferno
er schrieb Weltuntergangsartikel, die einen Kult von Eiferern innerhalb des Transhumanismus begründet haben. Heute verwenden viele seiner fanatischen Anhänger Codenamen, die stets aus zwei Buchstaben und vier Zahlen bestehen, wie zum Beispiel DG -2064, BA -2103 oder eben der, den Sie gerade erwähnt haben.«
» FS -2080.«
Sinskey nickte. »Das kann nur ein transhumanistischer Codename sein.«
»Haben diese Zahlen und Buchstaben irgendeine Bedeutung?«
Sinskey zeigte auf den Computer. »Öffnen Sie Ihren Browser. Ich zeige es Ihnen.«
Der Provost blickte sie nervös an, ging aber zu seinem Rechner und tat wie geheißen.
»Suchen Sie nach FM -2030«, sagte Sinskey und trat hinter ihn.
Der Provost gab › FM -2030‹ ein, und die Suchmaschine spuckte Tausende von Webseiten aus.
»Klicken Sie auf eine. Egal welche.«
Der Provost rief den ersten Treffer auf, einen Wikipedia-Eintrag mit dem Bild eines gutaussehenden Persers: Fereidoun M. Esfandiary . Der Artikel beschrieb ihn als Autoren, Philosophen, Futuristen und Vorreiter der transhumanistischen Bewegung. Esfandiary war 1930 geboren. Er war es, der den Transhumanismus einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte. Außerdem hatte er schon früh Dinge wie künstliche Befruchtung, Gentechnik und die Globalisierung vorausgesagt.
Laut Wikipedia war Esfandiarys berühmteste Behauptung, neue Technologien würden es ihm erlauben, hundert Jahre alt zu werden, für Menschen seiner Generation extrem ungewöhnlich. Um seinem Vertrauen in die zukünftige Technologie Ausdruck zu verleihen, änderte F. M. Esfandiary seinen Namen in FM -2030. Dieser Code bestand aus seinen ersten beiden Initialen und dem Jahr, in dem er sein hundertstes Lebensjahr erreichen würde. Unglücklicherweise erlag er im Alter von siebzig Jahren einem Pankreastumor, sodass er sein Ziel nie erreichte. Doch zu seinen Ehren zollen fanatische Transhumanisten ihm bis heute Tribut, indem sie seine Namensbildung kopieren.
Nachdem der Provost den Artikel gelesen hatte, stand er auf, ging zum Fenster und starrte lange Zeit auf das Meer hinaus.
»So«, sagte er schließlich, als denke er laut nach, »Bertrand Zobrists große Liebe, FS -2080, gehört also offenbar zu diesen … diesen Transhumanisten ?«
»Ohne Zweifel«, antwortete Sinskey. »Tut mir leid, dass ich nicht genau weiß, wer FS -2080 ist, aber …«
»Genau darauf will ich hinaus«, unterbrach der Provost sie und blickte aufs Meer. »Ich weiß es. Ich weiß ganz genau, wer das ist.«
KAPITEL 74
Die Luft selbst scheint aus Gold gemacht zu sein.
Robert Langdon hatte in seinem Leben schon viele prachtvolle Kathedralen besucht, doch die eindrucksvollste war für ihn die Chiesa d’Oro , die ›Goldene Kirche‹, wie der Markusdom auch genannt wurde. Jahrhundertelang hatte es geheißen, man müsse nur die Luft des Markusdoms atmen, und schon werde man reicher; diese Aussage war keine bloße Metapher, sondern wörtlich gemeint.
Da die Innenraumdekoration aus Millionen Goldtafeln und -plättchen bestand, behaupteten einige, der Staub in der Luft enthalte tatsächlich Goldpartikel, die mit dem durch das Westfenster fallenden Sonnenlicht eine besondere Atmosphäre schüfen. Eine Atmosphäre, die den Gläubigen nicht nur dabei helfe, ihren spirituellen Reichtum zu vergrößern, sondern es ihnen auch ermögliche, durch tiefes Atmen ihre Lunge zu vergolden.
Zu dieser Stunde breitete sich das Licht vom großen Westfenster wie ein schimmernder Fächer über Langdons Kopf aus, ein Baldachin aus strahlender Seide. Langdon konnte nicht anders, als ehrfurchtsvoll tief einzuatmen, und er bemerkte, dass Sienna und Ferris es ihm nachtaten.
»Wo lang?«, flüsterte Sienna.
Langdon deutete auf eine nach oben führende Treppe. Der Museumsteil des Domes lag im Obergeschoss. Ein Teil der Ausstellung widmete sich auch den Rossen von San Marco , und Langdon ging davon aus, dass sie dort rasch den Namen des mysteriösen Dogen herausfinden würden, der den kupfernen Tieren die Köpfe hatte abtrennen lassen.
Als sie die Treppe hinaufstiegen, sah Langdon, dass Ferris wieder um Luft rang. Sienna, die schon seit mehreren Minuten versuchte, Langdons Aufmerksamkeit zu erregen, nutzte die Gelegenheit und schaute dem Professor in die Augen. Ihr Blick mahnte zur Vorsicht, als sie diskret den Kopf in Richtung Ferris neigte. Lautlos bildete sie einen Satz mit den Lippen, den Langdon jedoch nicht verstand. Bevor er nachfragen konnte, wandte Sienna sich wieder Ferris zu.
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