Inferno
gehabt, mit der der Provost ein Jahr zuvor ins Geschäft gekommen war. Die einst scharf blickenden grünen Augen des Mannes waren trüb gewesen, und er hatte den Eindruck erweckt, als sei er krank.
Was ist mit ihm passiert? Was hat er gemacht? Der Provost führte das nervliche Wrack in sein Büro.
»Die silberhaarige Teufelin«, stammelte der Klient. »Sie kommt jeden Tag näher.«
Der Provost warf einen Blick auf die Akte des Klienten und musterte das Foto der attraktiven silberhaarigen Frau. »Ja«, sagte er. »Die silberhaarige Teufelin. Wir kennen Ihre Feinde durchaus, Sir. So mächtig sie auch sein mag, wir haben sie ein ganzes Jahr von Ihnen ferngehalten, und daran wird sich nichts ändern.«
Der grünäugige Mann fuhr sich nervös durch das fettige Haar. »Lassen Sie sich nicht von ihrer Schönheit täuschen. Sie ist gefährlich.«
Wie wahr , dachte der Provost. Er war wenig erbaut darüber, dass sein Klient die Aufmerksamkeit einer so einflussreichen Person auf sich gezogen hatte. Die silberhaarige Frau verfügte über weitreichende Beziehungen und Ressourcen – nicht gerade die Sorte von Gegenspieler, mit der der Provost jeden Tag zu tun haben wollte.
»Wenn sie oder ihre Schergen mich aufspüren …«, begann der Klient.
»Das werden sie nicht«, versicherte der Provost ihm. »Wir haben Sie bisher vor allen Gegnern abgeschirmt und Ihnen alles geliefert, was Sie angefordert haben, oder?«
»Ja«, sagte der Mann. »Trotzdem schlafe ich besser, wenn …« Er verstummte für einen Moment, dann setzte er neu an. »Sie müssen mir versprechen, mir noch einige Wünsche zu erfüllen … falls mir etwas zustößt.«
»Und wie lauten diese Wünsche?«
Der Klient griff in seine Aktentasche und zog einen versiegelten Umschlag hervor. »Der Inhalt dieses Umschlags bietet Zugriff auf ein Schließfach in Florenz. Darin finden Sie ein kleines Objekt. Sollte mir tatsächlich etwas zustoßen, müssen Sie dieses Objekt für mich abliefern. Es ist eine Art Geschenk.«
»Sehr wohl.« Der Provost machte sich eine Notiz. »An wen soll ich dieses Objekt liefern?«
»An die silberhaarige Teufelin.«
Der Provost blickte auf. »Ein Geschenk für Ihre Peinigerin?«
Die Augenlider des Klienten flatterten. »Mehr ein Dorn in ihrer Seite … Ein kleiner geistreicher Stachel, gefertigt aus einem Knochen. Sie wird feststellen, dass es sich um einen Plan handelt, eine Karte … ihren persönlichen Vergil, den Führer in ihre private Hölle.«
Der Provost sah den Klienten für eine Weile an. »Wie Sie wünschen. Betrachten Sie es als erledigt.«
»Der Zeitpunkt ist von immenser Bedeutung«, fuhr der Mann fort. »Das Geschenk darf nicht zu früh abgeliefert werden. Sie müssen es sicher verwahren, bis …« Er stockte und wirkte plötzlich gedankenverloren.
»Bis wann?«, hakte der Provost nach.
Abrupt erhob sich der Klient, trat hinter den Schreibtisch, nahm einen roten Stift und kreiste schwungvoll ein Datum im Tischkalender des Provosts ein. »Bis zu diesem Tag.«
Der Provost biss die Zähne zusammen und unterdrückte seinen Zorn über die Unverfrorenheit des Mannes. »Verstanden«, sagte er. »Ich werde bis zum genannten Datum nichts unternehmen. An diesem Tag wird das Objekt im Schließfach, was immer es ist, der silberhaarigen Frau zugestellt. Sie haben mein Wort.« Er zählte die Tage bis zu dem rot eingekreisten Datum. »In genau vierzehn Tagen, von heute an.«
»Nicht einen Tag früher!«, betonte der Klient fieberhaft.
»Ich verstehe«, sagte der Provost. »Nicht einen Tag früher.«
Der Provost nahm den Umschlag, schob ihn in die Akte des Mannes und schrieb alle nötigen Details nieder, um den Auftrag genau befolgen zu können. Der Mann hatte den Inhalt des Schließfaches zwar nicht genannt, doch das war dem Provost nur recht. Professionelle Distanz gehörte zur Philosophie des Konsortiums. Erbringe die gewünschte Leistung. Keine Fragen. Kein Urteil .
Der Klient entspannte sich und atmete erleichtert aus. »Ich danke Ihnen.«
»Sonst noch etwas?«, fragte der Provost, ungeduldig bestrebt, den Klienten wieder loszuwerden, der sich so sehr verändert hatte.
»In der Tat, ja.« Der Klient nahm einen kleinen roten Memorystick aus der Aktentasche. »Dieser Speicher enthält eine Videodatei.« Er legte den Stick auf den Schreibtisch. »Ich möchte, dass diese Datei weltweit den Medien zugestellt wird.«
Der Provost musterte den Mann neugierig. Es geschah häufiger, dass das Konsortium im Auftrag von
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