Inferno
seinem Leben, seinem Werk und dem Grund, warum er als eine der einflussreichsten Gestalten der gesamten Weltgeschichte gilt.«
Weiterer Applaus.
Langdon hielt eine winzige Fernbedienung in der Hand. Er drückte auf einen Knopf, und ein Dante-Bild erschien auf der Leinwand hinter ihm. Es stammte von Andrea del Castagno und zeigte ein Ganzkörperporträt des Poeten, der in einer Tür stand. In der einen Hand hielt Dante ein Buch, die andere hatte er grüßend ausgestreckt.
»Dante Alighieri«, begann Langdon. »Der florentinische Schriftsteller und Philosoph lebte von 1265 bis 1321. In diesem Porträt trägt er, wie in nahezu allen anderen Darstellungen auch, eine rote cappuccio auf dem Kopf, eine eng sitzende gerippte Haube mit Ohrenklappen sowie einen roten Lucca-Mantel. So wird Dante in der Kunst am häufigsten dargestellt …«
Langdon zeigte weitere Dias bis hin zum Botticelli-Porträt in den Uffizien, die Dantes charakteristischste Gesichtszüge hervorhoben: den massigen Unterkiefer und die Hakennase. »Hier sehen Sie Dante ein weiteres Mal mit der roten cappuccio , doch Botticelli hat einen Lorbeerkranz über die Haube gemalt – ein Sinnbild für hohes Können, in Dantes Fall auf dem Gebiet der poetischen Künste. Das Symbol stammt aus dem antiken Griechenland und wird auch heutzutage noch verwendet, um beispielsweise Nobelpreisträger zu ehren.«
In rascher Folge zeigte Langdon noch mehr Dias, die Dante ausnahmslos mit roter Haube, rotem Umhang, Lorbeerkranz und charakteristischer Nase abbildeten. »Um den Eindruck abzurunden, hier eine Statue von der Piazza di Santa Croce … und natürlich das berühmte Fresko in der Kapelle von Bargello, das Giotto zugeschrieben wird.«
Langdon ließ das Dia von Giottos Fresko auf der Leinwand stehen und ging zur Mitte des Podiums.
»Wie Sie alle ohne Zweifel wissen, verdankt Dante seinen Ruhm zum größten Teil seinem monumentalen literarischen Meisterwerk – der Göttlichen Komödie . Dieses Werk ist eine geradezu brutal anschauliche Schilderung seines Abstiegs in die Hölle, seiner Passage durch das Fegefeuer und des anschließenden Aufstiegs ins Paradies, wo er mit Gott reden will. Nach modernen Standards hat die Göttliche Komödie nichts Komisches an sich. Sie wird aus einem ganz anderen Grund so genannt. Im vierzehnten Jahrhundert war die italienische Literatur aufgrund offizieller Vorgaben in zwei Kategorien aufgeteilt: die Tragödie als hohe Literatur, geschrieben in formalem Latein, und die Komödie als niedere Literatur, verfasst in italienischer Mundart für die allgemeine Bevölkerung.«
Langdon zeigte weitere Dias bis zum ikonenhaften Fresko von Michelino: Dante vor den Mauern von Florenz, eine aufgeschlagene Ausgabe der Göttlichen Komödie in der Hand. Im Hintergrund erhob sich der terrassierte Berg des Fegefeuers, daneben führte das Höllentor in die Tiefe. Das Gemälde hing inzwischen in der Kathedrale von Santa Maria del Fiore in Florenz – dem berühmten Dom der Stadt.
»Wie Sie sicher anhand des Titels bemerkt haben«, fuhr Langdon fort, »wurde die Göttliche Komödie in Vernakular verfasst – der Sprache der einfachen Leute. Trotzdem verwebte sie auf brillante Weise Religion, Geschichte, Politik, Philosophie und begleitende Erläuterungen zu einem Teppich aus Fiktion, der gelehrt war und dennoch für die Massen verständlich blieb. Das Werk wurde zu einem so tragenden Pfeiler der italienischen Kultur, dass Dantes Stil als Kodifizierung der modernen italienischen Sprache gilt.«
Langdon hielt für einen Moment inne, um seine Worte wirken zu lassen, dann fuhr er im Flüsterton fort: »Verehrte Freunde, es ist ganz und gar unmöglich, den Einfluss von Dante Alighieris Werk zu überschätzen. In der gesamten Geschichte der Menschheit hat – vielleicht mit Ausnahme der Heiligen Schrift – kein Werk, kein Stück, kein Gemälde und keine Komposition mehr Imitationen, Huldigungen, Variationen und Annotationen erfahren als die Göttliche Komödie …«
Langdon zählte die lange Liste der berühmten Komponisten, Schriftsteller, Maler und anderen Künstler auf, die sich von Dantes epischem Stoff hatten inspirieren lassen. Er hob den Blick zum Publikum. »Sind heute Abend Autoren unter uns?«, fragte er.
Fast ein Drittel der Anwesenden hob die Hand. Langdon war völlig überrumpelt. Hoppla! Entweder ist das heute Abend das gebildetste Publikum auf der ganzen Welt, oder diese E-Publishing-Geschichte nimmt rasant Fahrt auf.
»Nun, wie
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