Inferno
wechselte zum nächsten Dia – einer riesenhaften Vergrößerung des Teufels, dargestellt als furchtbares dreiköpfiges Monster, das drei Menschen gleichzeitig fraß – einen in jedem Maul.
Die Menge raunte.
»Ein flüchtiger Blick auf kommende Attraktionen«, verkündete Langdon. »Diese furchterregende Gestalt ist das Ziel unserer heutigen Reise. Wir finden sie im neunten Kreis der Hölle. Dort residiert Satan höchstpersönlich. Aber da schon allein der Weg dahin der halbe Spaß ist, gehen wir wieder zurück … zum Eingang, wo unsere Reise ihren Anfang nimmt.«
Langdon verstummte und wechselte zum nächsten Dia, einer Lithografie von Gustave Doré. Sie zeigte einen dunklen, tunnelartigen Eingang in der Seite einer steilen, schmucklosen Klippe. Die Inschrift über dem Eingang verkündete:
IHR , DIE IHR HIER EINTRETET ,
LASST ALLE HOFFNUNG FAHREN .
»Sind Sie bereit?«, fragte Langdon mit einem Lächeln. »Wollen wir eintreten?«
Irgendwo quietschten laut Reifen, und das Publikum löste sich vor Langdons Augen in Luft auf. Er wurde gegen Siennas Rücken gedrückt, als das Trike mitten auf der Viale Niccolò Machiavelli schlingernd zum Halten kam.
Langdon zuckte zurück – noch in dem Glauben, vor ihm lauerten die Tore der Hölle. Dann sah er, wo er sich befand.
»Was ist los?«, fragte er.
Sienna deutete auf ein Bauwerk, etwa dreihundert Meter vor ihnen: die Porta Romana, der ehemalige Eingang in die alte Stadt Florenz.
»Robert, wir haben ein Problem.«
KAPITEL 19
Agent Brüder stand in der kleinen Wohnung und versuchte zu analysieren, was er vor sich sah. Wer zum Teufel wohnt hier? Die Einrichtung war karg und durcheinandergewürfelt wie ein dürftig möblierter College-Schlafsaal.
»Agent Brüder?«, rief einer seiner Leute aus dem Flur. »Das hier sollten Sie sich ansehen, Sir!«
Brüder durchquerte den Flur. Er fragte sich, ob die örtliche Polizei Langdon bereits festgenommen hatte. Brüder hätte die Krise lieber »hausintern« gemeistert, doch Langdons Flucht hatte ihm keine andere Wahl gelassen, als die einheimische Polizei um Unterstützung zu bitten … und um die Einrichtung von Straßensperren. Ein Motorrad konnte Brüders Fahrzeugen im engen Straßenlabyrinth von Florenz mühelos entkommen. Die Vans waren von den Scheiben bis zu den Reifen kugelsicher gepanzert und viel zu schwerfällig für eine Verfolgungsjagd. Die italienische Polizei stand grundsätzlich im Ruf, sich gegenüber Außenseitern unkooperativ zu zeigen, doch Brüders Organisation verfügte über weitreichende Beziehungen – Polizei, Konsulate, Botschaften. Wenn wir etwas fordern, stellt keiner Fragen.
Brüder betrat das kleine Zimmer, in dem sein Untergebener mit Latexhandschuhen über einem offenen Laptop stand und etwas eintippte. »Das ist der Rechner, den er benutzt hat. Damit hat er auf seinen E-Mail-Account zugegriffen und ein paar Internetrecherchen durchgeführt. Die Dateien sind noch im Cache.«
Brüder ging zum Schreibtisch.
»Sieht nicht aus, als wäre das Langdons Computer«, sagte der Techniker. »Der Besitzer hat die Initialen S. B. – es dauert nicht mehr lange, bis ich den vollen Namen habe.«
Brüder entdeckte einen Stapel Papiere auf dem Schreibtisch. Er blätterte das ungewöhnliche Sammelsurium durch – ein altes Programmheft des London Globe Theatre und eine Reihe von Zeitungsausschnitten. Je mehr Brüder las, desto größer wurden seine Augen.
Er schob die Dokumente zusammen, ging nach draußen und rief seinen Boss an. »Brüder hier«, sagte er. »Ich glaube, ich kenne jetzt die Identität der Person, die Langdon hilft.«
»Wer ist es?«
Der Agent stieß langsam die Luft aus. »Sie werden es nicht glauben …«
Drei Kilometer weiter raste Vayentha über die Straße, tief über ihre BMW gebeugt. Sie war auf der Flucht. Streifenwagen der Polizei jagten mit gellenden Martinshörnern in die entgegengesetzte Richtung.
Was für ein Fiasko , dachte sie. Ich wurde abgelöst.
Das sanfte Vibrieren des starken Vierzylindermotors ihrer BMW beruhigte sie für gewöhnlich; diesmal nicht.
Vayentha arbeitete seit zwölf Jahren für das Konsortium. Sie hatte unten angefangen, bei der Bodenunterstützung, war in die strategische Koordination gewechselt und hatte sich von da bis zum Field Agent hochgearbeitet. Meine Karriere ist alles, was ich habe. Die Agenten des Konsortiums lebten im Geheimen, ständig unterwegs auf langwierigen Missionen, die jedes Privatleben und jede Form von
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