Inferno
Porta-Potty hervor und gesellte sich zu ihnen. Die schlanke zweiunddreißigjährige Frau trat neben Langdon, und er legte ihr zur Begrüßung die Hand auf die Schulter. »Das hier ist meine Schwester Sienna. Sie ist Professorin für Kunst.«
Der tätowierte Typ murmelte » TILF «, und seine männlichen Freunde lachten.
Langdon ignorierte sie. »Wir sind nach Florenz gekommen, weil wir ein Jahr im Ausland unterrichten wollen und nach freien Stellen suchen. Dürfen wir mit Ihnen hineingehen?«
»Ma certo«, sagte die junge Italienerin mit einem Lächeln.
Während sie sich langsam der Straßensperre an der Porta Romana näherten, kam Sienna mit den Studenten ins Gespräch. Langdon hielt sich in der Mitte der Gruppe und zog den Kopf ein, um möglichst unsichtbar zu bleiben.
Suche, und du wirst finden , dachte er. Sein Puls raste, während er sich die Gruben des Malebolge vorstellte.
Catrovacer . Die zehn Buchstaben, so hatte Langdon erkannt, standen im Mittelpunkt eines der größten Mysterien der Kunstgeschichte, eines jahrhundertealten Rätsels, das nie ganz gelöst worden war.
Im Jahr 1563 hatte jemand mit diesen zehn Buchstaben hoch oben an einer Wand im Innern des berühmten Palazzo Vecchio eine Botschaft hinterlassen, mehr als zwölf Meter über dem Boden und ohne Fernglas kaum zu erkennen. Dort hatten die Worte, vor aller Augen sichtbar und dennoch unentdeckt, die Jahrhunderte überdauert, bis ein Kunstexperte in den 1970er Jahren auf die Botschaft gestoßen war. Der Mann hatte jahrzehntelang erfolglos versucht, ihre Bedeutung zu enträtseln. Trotz zahlreicher Theorien bleibt die verborgene Aussage dieser Nachricht bis zum heutigen Tag ein Rätsel.
Langdon empfand bei solchen Rätseln immer ein Gefühl der Vertrautheit – und dieses hier war für ihn wie ein sicherer Hafen auf dem fremden, schäumenden Meer, in dem er aufgewacht war. Schließlich waren Kunstgeschichte, antike Symbole und Rätsel Langdons ureigenes Fachgebiet, ganz im Gegensatz zu BioTubes, Schusswaffen und Verfolgungsjagden.
Ein Stück voraus bei der Porta Romana waren weitere Einsatzfahrzeuge der Polizei aufgetaucht.
»Meine Güte!«, sagte der tätowierte Jugendliche. »Wen auch immer die Bullen suchen, er muss was ganz schön Schlimmes gemacht haben!«
Die Gruppe traf vor dem Haupttor des Instituts ein, wo eine kleine Studentenmenge stand und neugierig das Treiben an der Porta Romana verfolgte. Der schlecht bezahlte Wachmann des Instituts kontrollierte die Ausweise nur mit halbherzigen Blicken, als die jungen Leute an ihm vorbeiströmten – auch er war eindeutig mehr an den Vorgängen draußen interessiert.
Ein vertrauter schwarzer Van erschien, und lautes Bremsenquietschen hallte über die Piazza.
Langdon musste nicht zweimal hinsehen.
Wortlos nutzten er und Sienna die Gelegenheit und schlüpften inmitten ihrer neu gewonnenen Freunde durch das Tor.
Die Zufahrt zum Istituto statale d’arte war von atemberaubender Schönheit. Massive Eichen säumten den Weg, und ihr Blätterdach schien das Gebäude in der Ferne einzurahmen – ein imposanter Bau in blassem Gelb mit einem Portikus und einer ausgedehnten ovalen Rasenfläche davor.
Dieses Gebäude war wie so viele andere in dieser Stadt von der gleichen illustren Dynastie in Auftrag gegeben worden, die Florenz und seine Politik im fünfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert beherrscht hatte.
Die Medici .
Der Name war ein Symbol für Florenz geworden. Während seiner dreihundertjährigen Herrschaft hatte das Adelshaus der Medici eine atemberaubende Machtfülle erlangt und unvorstellbare Reichtümer angehäuft. Die Medici hatten zwei Päpste hervorgebracht, zwei Königinnen von Frankreich und die größte Finanzinstitution von ganz Europa. Bis zum heutigen Tag benutzten Banken in aller Welt die von den Medici erfundene Methode der doppelten Buchführung.
Das größte Vermächtnis der Medici jedoch war nicht finanzieller oder politischer, sondern künstlerischer Natur. Die Medici waren die großzügigsten Kunstmäzene, die die Welt je gesehen hatte – der stetige Strom ihrer Aufträge hatte die italienische Renaissance ausgelöst und fortwährend befeuert. Die Liste der von den Medici geförderten Künstler reichte von da Vinci über Galileo bis zu Botticelli, dessen berühmtestes Gemälde, Die Geburt der Venus , ein Auftrag von Lorenzo de’ Medici gewesen war. Lorenzo hatte ein sexuell provokatives Gemälde bestellt, das er seinem Cousin als Hochzeitsgeschenk
Weitere Kostenlose Bücher