Inferno
Hintergrund erhebt sich der Turm des Palazzo. Wir glauben, indem wir seine Totenmaske hier aufbewahren, haben wir ihm in gewisser Weise erlaubt, endlich nach Hause zurückzukehren.«
»Ich verstehe«, sagte die junge Frau, endlich zufrieden. »Danke sehr.«
Marta war vor dem Eingang zum Museum angekommen und klopfte nun dreimal an die Tür. »Sono io, Marta! Buongiorno!«
Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht, und die Tür öffnete sich. Ein älterer Wachmann lächelte sie müde an und sah auf seine Uhr. »È un po’ presto«, sagte er lächelnd. Sie kommen ein wenig früh.
Wortlos deutete Marta auf den Amerikaner und seine Schwester. Die Miene des alten Mannes hellte sich augenblicklich auf. »Signore! Bentornato!« Willkommen zurück!
»Grazie«, antwortete Langdon genauso liebenswürdig, und der Wachmann bedeutete ihnen einzutreten.
Sie kamen durch ein kleines Foyer. Der alte Mann deaktivierte die Alarmanlage und schloss eine zweite, massivere Tür auf. Er trat zur Seite und deutete schwungvoll auf den Korridor dahinter. »Ecco il museo!«
Marta lächelte ihm dankend zu und führte die Besucher hinein.
Die Räumlichkeiten des Museums hatten früher als Verwaltungsbüros des alten Florenz gedient. Aus diesem Grund war das Museum keine weitläufige Galerie, sondern ein Labyrinth aus mittelgroßen Räumen und Korridoren, die die Hälfte des Gebäudes einnahmen.
»Die Totenmaske von Dante erwartet Sie gleich um die Ecke«, sagte Marta zu der blonden jungen Frau. »Sie ruht in einer antiken Vitrine in einem kleinen Durchgang. Man kann sie erst sehen, wenn man auf gleicher Höhe steht, deshalb gehen viele Besucher an der Maske vorbei, ohne sie zu bemerken.«
Der Professor beschleunigte seinen Schritt, die Augen starr geradeaus gerichtet, als übe die Maske eine heimliche Macht auf ihn aus. Marta legte Sienna die Hand auf den Arm. »Offensichtlich hat Ihr Bruder kein Interesse an den anderen Stücken, aber wenn Sie schon hier sind, sollten Sie sich unbedingt unsere Büste von Machiavelli ansehen oder die Mappa Mundi im Kartensaal.«
Die Schwester des Professors nickte höflich, ohne stehenzubleiben oder zu antworten. Auch sie hatte es plötzlich so eilig, dass Marta Mühe hatte mitzuhalten. Als sie den dritten Raum erreichten, war die werdende Mutter ein Stück zurückgefallen und schließlich stehen geblieben.
»Professor?«, rief sie dem Amerikaner nach Luft ringend hinterher. »Vielleicht wollen Sie … Ihrer Schwester … einige Stücke zeigen … bevor wir zu Dantes Maske gehen?«
Langdon drehte sich zu Marta um und starrte sie an, als hätte sie ihn aus tiefen Gedanken gerissen. »Verzeihung?«
Marta deutete außer Atem auf eine Vitrine. »Eine der … ersten gedruckten Ausgaben … der Divina Commedia ?«
Als der Professor bemerkte, dass Marta sich außer Atem die Stirn abtupfte, erschrak er deutlich. »Marta! Um Himmels willen, verzeihen Sie! Natürlich, ja. Ein schneller Blick auf das Werk wäre wundervoll!«
Er ging zu ihr zurück, und sie ließ sich von ihm zu der antiken Vitrine führen. Hinter dem Glas lag ein abgegriffenes ledergebundenes Buch. Es ruhte aufgeschlagen auf einer Stütze, sodass die kunstvolle Titelseite zu sehen war. La Divina Commedia: Dante Alighieri .
»Unglaublich!«, sagte der Amerikaner überrascht. »Ich erkenne das Frontispiz … ich wusste gar nicht, dass das Museum ein Exemplar der berühmten Numeister-Ausgabe besitzt!«
Natürlich wussten Sie das, Professor , dachte Marta verblüfft. Ich habe es Ihnen gestern Abend selbst gezeigt!
»Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts erschuf Johann Numeister die erste gedruckte Ausgabe dieses Werks«, sagte Langdon zu Sienna. »Es wurden mehrere hundert Exemplare gedruckt, von denen noch ungefähr ein Dutzend existieren. Sie sind selten und kostbar.«
Marta vermutete, dass der Amerikaner seine Überraschung vorgaukelte, um vor seiner Schwester angeben zu können. Ein seltsames Verhalten für einen Professor, der in wissenschaftlichen Kreisen für seine Bescheidenheit bekannt war.
»Das Exemplar ist eine Leihgabe von der Bibliotheca Medicea Laurenziana . Wenn Sie und Ihr Bruder noch nicht dort gewesen sind, sollten Sie das dringend nachholen. Es gibt dort eine spektakuläre Treppe von Michelangelo. Sie führt hinauf in den ersten öffentlichen Lesesaal der Welt. Die Bücher waren ursprünglich angekettet, sodass niemand sie stehlen konnte. Natürlich waren viele der damaligen Bücher die einzigen Ausgaben, die es auf
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