Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
junges Mädchen gewesen war. Allmächtiger. Sag mir, dass das nicht wahr ist.
Jordan musste sie sofort sehen. Sie so genau wie möglich beobachten, als sei sie seine Feindin, und die Wahrheit herausfinden.
Mit diesem Gedanken schritt der Earl zielstrebig aus dem Speisesalon in die Eingangshalle. Dort sah er den einbeinigen Major am Fuß der Treppe stehen. Auf seine Krücke gestützt, blickte der Soldat grimmig die vielen marmornen Stufen hinauf.
Jordan bezwang seine Ungeduld und ging zu dem Mann hinüber. Intelligent genug, dem stolzen Offizier keine Hilfe anzubieten, konnte der Earl dem Mann wenigstens auf seinem beschwerlichen Weg Gesellschaft leisten.
Düster lächelte der Major ihn an. „Sie brauchen nicht auf mich zu warten, Falconridge.“
Mit einem diskreten, aufmunternden Nicken in Richtung der Treppe fragte Jordan: „Sollen wir?“
„Jawohl“, seufzte der Major, wappnete sich innerlich gegen die Anstrengung und begann dann unter sichtlichem Unbehagen, die Stufen zu erklimmen.
Währenddessen plauderte Jordan über Politik, um den Major von seiner Wut und den Schmerzen abzulenken, die er offensichtlich hinter seiner steifen Fassade verspürte.
Doch als er und der stoische Kriegsheld den Salon erreicht hatten, bemerkte Jordan, dass er für seine späte Ankunft bestraft wurde.
Mara war bereits von hauptsächlich beschwipsten, übereifrigen Herren umringt, die nur darauf warteten, sie mit Komplimenten überhäufen zu können.
Ein Blick genügte Jordan. Dies war zwar nicht der Beweis für ihre Affäre mit dem Regenten, doch das Gerücht schien gut zu der koketten Mara von damals zu passen. Und als Jordan sie so sah, umgeben von Verehrern wie einst mit siebzehn, war er überzeugt, dass der Abend Zeitverschwendung gewesen war.
Mara würde sich niemals ändern. Auch war sie niemals die Frau gewesen, die sie für ihn hätte sein müssen. Vielleicht konnte sie nichts dafür, bei ihrer Erziehung. Denn sie war vor allem eines: eine Überlebenskünstlerin.
Wie ich.
Menschen wie Mara und Jordan hielten durch, weil sie innerlich abgehärtet waren und eine gewisse Unbarmherzigkeit mit Tendenz zum Eigennutz besaßen. Vor zwölf Jahren hatte Jordan sich selbstsüchtig verhalten, da er mit seiner inneren Zerrissenheit nicht umgehen konnte - unmittelbar vor seiner ersten Mission hatte er sich verliebt. Damals war es am einfachsten gewesen, Mara mit vagen Versprechungen zurückzulassen. Zwar hatte er sie verloren - doch sein Verstand war ihm geblieben. Und was am allerwichtigsten war: Jordan war für seine Ordensbrüder da gewesen.
Vermutlich hatte Mara so lange wie möglich auf Jordan gewartet, bis sie die unerträgliche Situation nicht länger aushalten konnte und daher Lord Pierson zum Mann nehmen musste, um ihrer Familie zu entkommen. Doch jetzt, da sie die Freiheit ihres Witwendaseins genoss, würde sie sich wahrscheinlich nie wieder in eine solche Situation begeben. Vermutlich dachte Mara nur noch an sich selbst - mit Ausnahme ihres Sohnes - und handelte zu ihrem eigenen Vorteil. Und was wäre vorteilhafter für eine Dame der Gesellschaft, als auf dem Schoß des zukünftigen Königs Platz zu nehmen?
Sie sind wahrhaftig füreinander geschaffen, dachte er bissig, denn der Regent war dafür bekannt, schöne Dinge zu sammeln.
Jordan war es kaum möglich, seinen Abscheu zu verbergen.
Nach einiger Zeit warf Mara ihm einen vorsichtigen, recht feindseligen Blick zu.
Doch sie entwand sich nicht dem Griff ihrer Bewunderer.
Ah, welch dummes Spielchen. Vermutlich wollte sie ihn so bestrafen.
Schließlich blickte Jordan auf die Kaminuhr und gab Mara noch zwei Minuten, sich von ihren Anhängern zu befreien und zu ihm herüberzukommen. Gewiss würde er nicht den ersten Schritt machen, egal, was passierte. Ein Mann hatte schließlich seinen Stolz.
Während er wartete, schweiften seine Gedanken zurück zu jenem Abend, an dem er zähneknirschend beobachtet hatte, wie man sie hofierte.
Damals, auf jenem Sommerfest auf dem Land, als Jordan sein Herz verlor, hatte er versucht, sie zur Vorsicht zu ermahnen ...
„Miss Bryce, Miss Bryce“, murmelte der jüngere Jordan amüsiert, als die begehrteste Dame des Abends am Rand des Ballsaales zu ihm trat. Endlich hatte sie es geschafft, ihre Verehrer abzuschütteln. „Sie haben scheinbar die gesamte Gesellschaft im Sturm erobert.“
„Unsinn“, erwiderte sie mit verschmitzter Bescheidenheit und leuchtenden Augen. Mara nippte an ihrem Champagner und lehnte sich neben
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