Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
seinem Wesen. Agenten, die über Jahre als Diplomaten tätig gewesen waren, traten nicht einfach in ein solch großes Fettnäpfchen.
Warum hatte er es also getan? War er zu einem derart kalten, gefühllosen Bastard verkommen, abgeschnitten vom Rest der Menschheit, dass er sich nicht mehr in der Lage sah, zu begreifen, wie schmerzhaft dieses Thema für eine Frau sein musste?
Oder hatte er es genau deswegen gesagt - weil ein Teil von ihm sie verletzen wollte, nachdem sie ihn so bitter enttäuscht hatte?
Wie viele Kinder hätten sie wohl in der Zwischenzeit zusammen gehabt, wenn sie verheiratet gewesen wären, so wie es hätte sein sollen? Töchter und Söhne in Geistergestalt, deren Chance zu existieren bereits vergangen war ...
Doch das war letzten Endes nicht Maras Schuld, sondern seine eigene. Und die des Ordens. Jordan konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen.
Nach diesem Vorfall war ihm der Appetit vergangen.
Der Abend ging nur schleppend vorüber. Kurze Zeit später wurde der nächste Gang serviert, doch Jordan blieb für den Rest des Dinners stumm.
Ausgiebig sprach die Gesellschaft dem Wein zu, und schon bald schienen alle den Schnitzer des Earls vergessen zu haben -außer Mara.
Auf einmal erregte ein Gesprächsfetzen seine Aufmerksamkeit. „Lady Pierson erzählte mir, dass wir bald eine freudige Bekanntmachung vom Regenten zu erwarten haben“, teilte Delilah ihren Gästen mit einem verschmitzten Lächeln mit.
„Was für eine Bekanntmachung?“ „Ich weiß es nicht! Die sture Kreatur hat sich geweigert, es mir zu verraten.“
„Dann müssen wir sie dazu bringen, das Geheimnis preiszugeben! Lady Pierson, welche Neuigkeiten haben wir von Ihrem Freund und Carlton House zu erwarten?“
„Ja, sagen Sie uns, was da vor sich geht!“
Mara blickte gänzlich unschuldig drein. „Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen.“
„Delilah erklärte soeben, dass Sie ihr von einer unmittelbar bevorstehenden Ankündigung des Prinzregenten berichtet haben.“
„Nun, es ist doch allgemein bekannt, dass Delilah gerne Märchen erzählt“, parierte Mara mit wohldosiert belustigtem Ton.
Alle Versammelten brachen in Gelächter aus, während Delilah eine Augenbraue hob; doch Jordan blickte Mara überrascht an.
„Du hast es mir sehr wohl erzählt“, schalt die Gastgeberin ihre Freundin.
Daraufhin zuckte Mara mit den Achseln. „Ich kann mich wirklich nicht an solch eine Unterhaltung erinnern, Liebste.“ „Kommen Sie, bitte!“, jammerten einige.
„Nein, nein, das kann ich wirklich nicht verraten.“ Mara lachte. „Ich bin mir sicher, dass Sie es erfahren werden, sobald Seine Königliche Hoheit aus Brighton zurückkehrt.“
„Wann wird das der Fall sein? Die Times berichtet, dass er sich von einem Gichtanfall erholt“, rief jemand.
„Vielleicht sollten Sie zu Seiner Königlichen Hoheit reisen und ihm bei der Genesung behilflich sein, Lady Pierson.“
„Aber, aber, seine Tochter kümmert sich doch um ihn“, entgegnete Mara.
„Prinzessin Charlotte ist also ebenfalls in Brighton?“
„Ja, und die Times berichtet, sie sei auch nicht wohlauf, das arme Mädchen“, warf eine mit Juwelen behängte Dame ein. „Sie leidet wohl an einer entsetzlichen Erkältung.“
Das war die offizielle Version der Geschichte. Doch dank der täglichen Benachrichtigungen des Geheimdienstes an den Orden wusste Jordan, dass es einen anderen Grund für den Aufenthalt des Regenten und seiner unberechenbaren Tochter in Brighton gab.
Sie erholten sich dort nicht etwa von ihren Leiden, wie die Zeitungen es berichteten. In Wahrheit beschäftigte sich die königliche Familie damit, die Bedingungen der Verlobung von Prinzessin Charlotte und Leopold von Sachsen-Coburg auszuhandeln.
Da die Prinzessin bereits einmal fast mit dem Prinzen von Oranien verlobt gewesen war, dieses Arrangement jedoch platzte, legte der Regent großen Wert darauf, einen weiteren Skandal zu vermeiden. Den Berichten zufolge würden die Verhandlungen dieses Mal allerdings erfolgreich ausgehen.
Diejenigen, die das verliebte junge Paar bereits zusammen gesehen hatten, erklärten, dass der ernste, vernünftige deutsche Prinz genau der Partner war, den die temperamentvolle, unzähmbare Prinzessin brauchte. Da der Prinzregent keinen Sohn hatte, würde seine einzige Tochter eines Tages die Krone erben. Leopolds sanfter, mäßigender Einfluss würde dabei behilflich sein, die kapriziöse zukünftige Königin zu bändigen.
Wenn Jordan es recht
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