Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
überhaupt überrascht?
Sich ohne eine Erklärung zu verabschieden ist doch typisch für Jordan Lennox, dachte Mara zynisch, während sie in ihrer Kutsche durch Knightsbridge fuhr. Gemeinsam mit Thomas kehrte Mara gerade von ihrem Pflichtbesuch bei ihren Eltern zurück. Alle zwei Wochen musste sie in das große Herrenhaus nach South Kensington fahren, und wie immer nach diesen Besuchen war Mara sehr erschöpft.
Auf ihrem Schoß hielt sie ihren warm eingepackten kleinen Sohn, der ihr nach der vergifteten Atmosphäre im Haus ihrer Eltern den nötigen Trost gab.
Thomas gurrte leise vor sich hin, schüttelte abwechselnd seine Rassel und kaute dann wieder hingebungsvoll an dem Spielzeug. Als er versuchte, sein Mützchen abzunehmen, hielt Mara ihn liebevoll davon ab. „Lass sie auf“, schalt sie ihn sanft. Zwar war es heute milder als an den Tagen zuvor, doch Mara achtete sehr darauf, den Kleinen stets warm zu halten. Schließlich hatte er sich gerade erst von seiner Erkältung erholt.
Als Thomas dann begann, mit seinen Schuhen zu spielen, dachte Mara erneut voller Ärger an den Earl.
Arrogant ... dickköpfig ... vorschnell urteilend ...
War der arme Kerl etwa eifersüchtig gewesen, weil sie sich nicht sofort von ihren anderen männlichen Freunden losgerissen und sich ihm bewundernd vor die Füße geworfen hatte?
Nun, das war recht amüsant. Der Gedanke daran, dass sie solch eine Reaktion in dem distanzierten, weit gereisten Herrn hervorrufen konnte, erfüllte Mara mit Genugtuung. Doch was erwartete er, nachdem er sie am Tisch in eine solch peinliche Situation gebracht hatte? Sie zu fragen, warum sie nur ein Kind hatte! Wie grausam!
Und ein schmerzliches Thema noch dazu - obwohl Mara widerwillig eingestehen musste, dass er vermutlich ohne böse Absicht gehandelt hatte. Seine Frage berührte einen wunden Punkt in ihr, den Jordan vermutlich nicht einmal bei ihr vermutete.
Wieder brachte Mara sich in Erinnerung, dass die Probleme, mit denen ihr verstorbener Ehemann unterhalb der Gürtellinie zu kämpfen hatte, nicht ihre Schuld gewesen waren. Sogar der Arzt hatte Tom daraufhingewiesen, dass seine mangelnde Standhaftigkeit an seiner Trinksucht lag.
Eine zufriedenstellende Antwort darauf, warum ihr Ehemann niemals nüchtern das Bett mit ihr geteilt hatte, war Mara nie eingefallen. Doch es war umso erniedrigender gewesen, von einem Ehemann abgewiesen zu werden, den sie eigentlich niemals hatte heiraten wollen.
Wenn Mara an Toms Beschuldigungen dachte, sie sei für seine Unfähigkeit verantwortlich gewesen, war sie umso weniger gewillt, sich „einen Liebhaber zu nehmen“, wie Delilah es ihr riet. Niemals wieder würde sie sich von einem Mann so beleidigen lassen!
Vielleicht hätte sie Jordans Rat beachten sollen, dass eine falsche Wahl ihr Leben noch unerträglicher machen könne als das im Haus ihrer Eltern. Damals hatte sie geglaubt, eine gute Wahl getroffen zu haben. Tom war so beständig in seinem Werben gewesen und hatte mit seiner Hartnäckigkeit ihre Eltern völlig umgarnt. Doch schon bald nach der Hochzeit war sein Interesse an Mara rasch erloschen.
In ihrem gemeinsamen Heim war sein inbrünstiges Werben schnell in Sarkasmus und Gereiztheit umgeschlagen. Und wenn Tom getrunken hatte, wurde er manchmal geradezu gefährlich.
Entschlossen schob Mara diese unerfreulichen Erinnerungen beiseite und wandte sich wieder Jordan zu. Sie konnte immer noch nicht glauben, wie sehr er sich gewandelt hatte.
Verschwunden war der junge Ritter Galahad, dessen Lächeln sie so bezaubert hatte. Der bildschöne Mann an Delilahs Tafel war so kalt und distanziert gewesen, ja, er hatte sich hinter seiner harten, weltgewandten Fassade geradezu versteckt.
Der Einzige, mit dem Jordan sich an dem Abend verstanden hatte, war der arme, verwundete Major, der sicherlich durch die Hölle gegangen war. Aber das Leben eines Diplomaten konnte doch wahrlich nicht so furchtbar sein?
Das Geplapper des kleinen Thomas riss Mara aus ihren Gedanken. Der Junge hatte eine unverständliche Frage gestellt und schlug mit seiner Rassel gegen das Kutschenfenster. Nach und nach lernte er immer besser sprechen, doch obwohl Thomas hin und wieder Wörter und ganze Sätze hervorbrachte, war sein Geplapper manchmal sogar Mara ein Rätsel. Besonders wenn sie durch ihre Gedanken an Jordan abgelenkt war.
„Genau, Master Thomas, das ist der Hy de Park, den kennen Sie. Schlauer Junge!“, rief Mrs Busby und beobachtete ihren Schützling voller Zuneigung. Die
Weitere Kostenlose Bücher