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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Gfrerer
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zur Pause, verkroch sie sich im hintersten Eck des Aufenthaltsraums, um Lucies hämischem Lästern aus dem Weg zu gehen. Wenn sie wenigstens Richi erreichen würde. Er war ein Mann. Vielleicht konnte er ihr erklären, was Jonas dazu getrieben hatte, auf einen anderen wie irre einzuprügeln. Trotz aller Beteuerungen fühlte sie sich immer noch schuldig. Und Rudi war auch nicht da, den sie über alles hätte ausfragen können.
    Sie aktivierte auf ihrem iPhone das Internet und öffnete die Facebook-Seite. Seit zwei Tagen fand sich auf Richis Account kein neuer Eintrag mehr. Die letzte Meldung stammte von Samstagabend. Darin freute er sich auf ein Treffen – mit wem, hatte er nicht dazugeschrieben. Und auch jetzt war er nicht im Chat. Mehr um sich abzulenken als aus Neugierde, klickte Klara seine Freundesliste durch. Bei dem Bild eines dunkelhäutigen jungen Mannes hielt sie inne. »Alen Kutesa« stand über dem Foto. Das musste er also sein, dieser Alen, von dem Richi letztens erzählt hatte. Sie klickte auf sein Bild, doch mehr als sein Name und dass er wie Richi Medizin studierte, war nicht über ihn in Erfahrung zu bringen.
    »Wenn du Alen kennst, schick ihm eine Nachricht oder füge ihn als Freund hinzu«, kam die obligatorische Meldung – wie immer, wenn sie jemanden anklickte, der noch nicht in ihrer Freundesliste stand.
    »Hmm …«
    Klara musste zugeben, dass er sehr gut aussah. Schwarze, gelockte Haare, mandelförmige, dunkle Augen und ein strahlendes Weiße-Zähne-Lächeln, das seine dunkle Gesichtsfarbe noch stärker betonte und bei dem Mädchen sicherlich schwach wurden. »Mama wäre bestimmt auf dich hereingefallen …« Der Gedanke machte sie auf den Mann wütend, obwohl sie nichts von ihm kannte als eine Fotografie und eine kurze Bemerkung aus dem Gespräch mit einem Freund. Natürlich konnte er nichts dafür. Aber die Vorstellung, dass ihre Mutter es einem Typen wie diesem zu verdanken hatte, dass sie sich nun als Alleinerziehende durchschlagen musste, brachte Klara gegen ihn auf. Mit einer heftigen Bewegung schloss sie das Internetportal und stopfte ihr Handy in die Hosentasche.

    Auch nach der Pause waren weder der Chemieunterricht noch Lucies Sticheleien leichter zu ertragen gewesen und Klara fragte sich am Abend, als sie völlig zerschlagen in der S-Bahn saß, ob sie sicher sein konnte, diesen Tag ohne nachhaltige psychische Schäden überstanden zu haben.
    Seit Rudi Samstagnacht angerufen hatte, wünschte sie sich, mit Jonas sprechen zu können. Oder wenigstens Rudi zu treffen, um von ihm Antworten auf all die Fragen zu bekommen, die ihren Kopf beinahe zum Bersten brachten. Doch Jonas war nach Auskunft seiner Mutter völlig weggetreten. Die Polizei hatte ihn angeblich in die interne Krankenabteilung verlegt. Und Rudi ging nicht ans Telefon. Womöglich war er doch schwerer verletzt, als er selbst im ersten Moment angenommen hatte. Trotzdem drückte sie, während sie in dem unbequemen Plastiksitz kauerte und in die Dunkelheit des Tunnels hinausstarrte, die Wiederwahltaste. Es läutete ein paarmal und Klara dachte schon, dass sie wie die anderen Male gleich wieder in Rudis Sprachbox landen würde, als er abhob.
    »Hallo, Klara«, tönte es an ihr Ohr. Seine Stimme klang brüchig.
    »Hab ich dich geweckt? Tut mir leid, dass ich dich so oft angerufen hab …« Jetzt, da Klara ihn in der Leitung hatte, wusste sie auf einmal nicht mehr, was sie eigentlich sagen wollte. »Wie geht es dir?« Blöde Frage. Wie konnte es ihm schon gehen, nachdem er zweimal an einem Tag Prügel bezogen hatte.
    Rudi lachte gequält. »Nicht so toll. Ich kann immer noch nicht schlafen. Wenn mir endlich die Augen zufallen, seh ich den Burschen, wie er auf dem Boden liegt und Jonas auf ihn eindrischt, obwohl ihm schon das Blut aus Nase und Ohren rinnt.«
    Klara hörte ihn schlucken. Ihre Kehle wurde eng. »Weiß man schon, was mit ihm ist?« Sie stockte. Unwillkürlich verschränkte sie die Finger ineinander. »Ich bete, dass er wieder gesund wird«, wisperte sie und würgte an dem Speichel, der sich im Mund angesammelt hatte. »Hast du neue Nachrichten?«
    Rudi verneinte. Für einen Moment breitete sich Stille zwischen ihnen aus, nur unterbrochen von dem Rattern der S-Bahn und den unregelmäßigen Atemzügen, die aus Klaras Handy drangen. Gleichzeitig brachen beide das quälende Schweigen.
    »Dann wünsch ich dir …«
    »Dafür hab ich was anderes gehört …«
    »Was denn?«, beeilte sich Klara nachzufragen. Es raschelte in

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