Infinity (German Edition)
über das erhitzte Gesicht. »Den Polizisten ausfindig zu machen, war nicht schwer. Wir fahren also hin und erzählen ihm von unserer Befürchtung, dass Lukas’ Vater in Lebensgefahr schweben könnte. Er klemmt sich gleich hinters Telefon und bekommt tatsächlich heraus, dass er in dieser Klinik in Zurndorf festgehalten wird. Keine fünf Minuten später kriegt er einen Befehl, sich nicht länger in dieser Angelegenheit zu betätigen.«
Rudi nickte heftig. »Echt irre! Er war so wütend, dass er den Telefonhörer auf die Gabel knallte.« Mit beiden Händen knetete er die abgesteppte Kante seines Sitzkissens. »Aber er hat sich einfach darüber hinweggesetzt. Er hat laut geflucht, dass solche Leute den Ruf der ganzen Polizei ruinieren würden und dass er lieber einen Verweis riskiert, als gegen sein besseres Wissen zu handeln.«
»Ja, und dann ist er mit dem vollen Programm dort vorgefahren – Blaulicht und Sirene und quietschende Reifen – und hat ihn rausgeholt.«
»Geil! Da wär ich gern dabei gewesen.« Klara presste die gefalteten Hände zwischen ihre Oberschenkel. In rasantem Tempo wechselte ihr Blick immer wieder zwischen Alen und Rudi hin und her. Sie keuchte vor Aufregung. »Und wie geht es ihm? Wird er gegen SanaLife aussagen?«
Alen seufzte. »Momentan ist er im AKH. Er ist so mit Drogen zu, dass nicht abzuschätzen ist, wann er jemals wieder zu Bewusstsein kommt – und wenn ja, ob er dann überhaupt noch seine Sinne beisammen hat.«
Klara stöhnte gequält auf. »Das kann doch nicht sein, dass diese Verbrecher ungeschoren davonkommen. Die lassen Leute ermorden, erpressen, bestechen und lügen, dass einem übel wird, und sacken zum Schluss auch noch das große Geld ein. Das ist … das ist …« Sie schnappte nach Luft und fuchtelte wild mit dem Zeigefinger herum. »… abgrundtief unmoralisch!«
Ihre Mutter strich ihr zärtlich über die Stirn. »Ach, Klara, mein Liebling. So ist es in der Welt leider immer wieder. Gerechtigkeit gibt’s nicht automatisch. Aber ich glaube daran, dass irgendwann und irgendwo ein Ausgleich stattfindet.« Ein spitzbübisches Lächeln ließ ihre Augen blitzen. »So finde ich zum Beispiel, dass ich gerade ganz besonders beschenkt worden bin.« Ihre Wangengrübchen wurden tiefer, weil Klara sie mit gerunzelter Stirn anschaute. »Immer schon hab ich mir gewünscht, wenigstens ein kleines bisschen an deinem Leben teilhaben zu dürfen. Und jetzt krieg ich gleich die ganze Ladung serviert!« Sie beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Aber gleichzeitig muss ich mit dir schimpfen.« Ihr Gesichtsausdruck strafte sie dabei Lügen. In ihren Augen konnte Klara nur fürsorgliche Liebe entdecken. »Die ganze Zeit schleppst du so schlimme Sachen mit dir herum, ohne ein Sterbenswörtchen zu sagen!« Sie zog ihre Tochter fester an sich. »Meinst du nicht, dass es leichter zu ertragen gewesen wäre, wenn du mir davon erzählt hättest? Ich steh auf deiner Seite. Immer. Das weißt du doch, oder?«
Klara nickte. »Ich … du kennst mich, Mama. Reden ist nicht so meins.« Sie schaute sie von der Seite an und zuckte mit den Schultern. »Aber ich lerne gerade, wie schön es sein kann, bewegende Erlebnisse mit einem anderen zu teilen.«
»Das beruhigt mich.« Ihre Mutter grinste. »Dann kann es ja nicht mehr allzu lange dauern, bis du mir auch von dieser geheimnisvollen Liste erzählst. Schließlich bist du eine gelehrige Schülerin.« Sie zwinkerte Klara und den beiden Jungs zu und stand auf. »Aber für heute hast du dich tatsächlich genug geoutet. Ich habe keine Ahnung, wie es euch geht, ich habe jedenfalls einen Bärenhunger.« Sie kniff die Augen zusammen und fixierte Klaras Pulli. »Und mir scheint, dein kleiner Freund hier könnte auch ein Häppchen vertragen. Ich fürchte, er versucht gerade, deinen Rollkragen anzuknabbern.«
Klara fischte Methusalem zwischen ein paar lang gezogenen Wollschlaufen hervor. »Komm her, du kleiner Held. Für dich gibt’s eine Extraportion Käse. Und ein eigenes Nest bekommst du auch.« Sie knuddelte ihn mit der Nase und kicherte, weil sein langer Schwanz sie kitzelte.
»Leute, ich seh gerade, ich hab für eine ganze Kompanie gekocht.« Mama war schon wieder in der Küche verschwunden. »Alen? Rudi? Wollt ihr nicht zum Essen bleiben?«
Klara fragte sich kurz, ob ihre Mutter ihre beiden Freunde nur ungestört weiter ausfragen wollte. Doch dann lachte sie. »Das wäre super!« Sie hatte eine Idee. »Hast du auch noch für einen
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