Infiziert
hatten, hatten sie jetzt jemanden, der noch am Leben war.
Martin Brewbaker, Kaukasier, zweiunddreißig Jahre alt, verheiratet mit Annie Brewbaker, Kaukasierin, achtundzwanzig Jahre alt. Ein Kind, Betsy Brewbaker, sechs Jahre alt.
Dew hatte sich Martins Anruf bei Captain Jinky angehört. Doch selbst angesichts dieser verrückten Aufnahme konnten sie nicht wirklich sicher sein. Vielleicht war dieser Typ normal und hatte keinerlei Probleme. Vielleicht gefiel es ihm einfach nur, vormittags um elf Sinatra aufzudrehen.
I tried so … not to give in,
I said to myself, »This affair never will go so well.«
»Riechst du das Benzin, Dew?«
Dew hatte noch keine Nase voll davon eingeatmet, als ihm klar wurde, dass Malcolm recht hatte. Benzin. Aus dem Innern des Hauses. Scheiße.
Dew warf seinem Partner einen Blick zu. Benzin oder nicht, es war Zeit, hineinzugehen. Er wollte Mal etwas zuflüstern, doch Sinatra war so laut, dass er schreien musste, um sich Gehör zu verschaffen.
»Okay, Mal. Wir gehen rein. Schnell. Dieses Arschloch will wahrscheinlich alles in Brand setzen. Wie einige von den anderen. Wir müssen ihn aufhalten, bevor er das schafft. Kapiert?«
Malcolm nickte. Dew trat einen Schritt zurück. Wenn es sein musste, konnte er zwar noch immer eine Tür eintreten, doch Mal war jünger und kräftiger, und den jungen Typen gefiel so etwas. Sollte er doch seinen Spaß haben.
Malcolm holte aus und gab der Tür einen einzigen gewaltigen Tritt. Sie flog krachend auf, das Schloss landete irgendwo im Inneren des Gebäudes, und einige Holzsplitter regneten herab. Mal ging zuerst hinein, Dew folgte dicht hinter ihm.
Drinnen dröhnte Sinatra so laut, dass Dew zusammenzuckte.
In spite of a warning voice that comes in the night,
And repeats, repeats in my ear,
Ein kleines Wohnzimmer ging in ein kleines Esszimmer über, das in eine Küche führte.
In der Küche eine Leiche. Eine Frau. Eine Blutlache. Die Augen weit aufgerissen. Die Kehle durchgeschnitten. Ein Stirnrunzeln, das Überraschung ausdrückte, nicht Entsetzen … Überraschung oder Verwirrung, als sei sie gestorben, während sie sich ein wirklich schwieriges Glücksrad -Rätsel ansah.
Mal zeigte keinerlei Gefühle, und das machte Dew stolz. Sie konnten ohnehin nichts mehr für die Frau tun.
Don’t you know, little fool, you never can win,
Use your mentality, wake up to reality.
Ein Flur, der tiefer in das Haus führte.
Dews Schuhe quietschten auf dem braunen, hochflorigen
Teppich. Sie quietschten wegen der breiten Benzinpfütze, die den Teppich noch dunkler machte.
Mal und Dew gingen weiter.
Die erste Tür rechts. Mal öffnete sie.
Ein Kinderschlafzimmer, noch eine Leiche. Diesmal ein kleines Mädchen. Sechs Jahre alt, wie Dew wusste, denn er hatte die Akte gelesen. Kein Ausdruck der Überraschung auf ihrem Gesicht. Eigentlich überhaupt kein Ausdruck. Nur ein glasiger, leerer Blick. Der Mund leicht geöffnet. Überall Blut auf ihrem winzigen Gesicht. Und überall auf ihrem kleinen Cleveland-Browns-T-Shirt.
Diesmal blieb Mal stehen. Das Mädchen war so alt wie sein Junge, Jerome. In diesem Augenblick wusste Dew, dass Mal Brewbaker wahrscheinlich umbringen würde, sollten sie ihn finden. Dew würde ihn nicht aufhalten.
Aber sie hatten nicht die Zeit, sich umzusehen, als wären sie zum Vergnügen hier. Er tippte Mal auf die Schulter. Mal schloss die Tür zum Zimmer des Mädchens hinter sich. Zwei weitere Türen, eine rechts, eine am Ende des Flurs. Noch immer dröhnte die Musik aggressiv und überwältigend.
But each time that I do, just the thought of you
Makes me stop, before I begin,
Mal öffnete die Tür auf der Rechten. Das Elternschlafzimmer. Niemand darin.
Blieb noch eine Tür. Dew holte tief Luft, und seine Nase füllte sich mit Benzindämpfen. Mal öffnete die Tür.
Und da war Martin Brewbaker.
Mals Theorie im Wagen erwies sich als prophetisch: Es war wirklich ein verrückter Kaukasier im Haus.
Lächelnd und mit weit aufgerissenen Augen saß Martin
Brewbaker auf dem Boden des Badezimmers. Er hatte die Beine ausgestreckt, trug ein benzingetränktes Cleveland-Browns-Kapuzenshirt samt Jeans und war barfuß. Direkt oberhalb der Knie hatte er um jedes Bein einen Gürtel gebunden. In einer Hand hielt er ein orangefarbenes Feuerzeug, in der anderen ein rotes Hackbeil voller Kerben. Hinter ihm lag ein rot-silberner Benzinkanister, dessen Inhalt auf dem schwarz-weißen Linoleumboden eine funkelnde Pfütze bildete.
’Cause I’ve got you
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