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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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schon gebildet hat, zugleich teilhat an dem, was noch nicht ausgesprochen ist, und unsere Begeisterung für das weiße, unbeschriebene Blatt, auf dem das noch Hinzuzugewinnende auch eingetragen scheint.« 12 Die Literatur ist ein ungeschlossener Bereich, in dem eine Kraft wirksam wird, die aus allen Zeiten herankommt und in die Gegenwart drängt. Bachmann nennt diese Kraft eine utopische. Es ist die Kraft des unbeschriebenen, weißen Blattes Papier.
    Vom Weißen spricht auch Frisch immer wieder. Bei ihm ist das Weiße zwischen den Zeilen Garant für das Ungesagte, Lebendige, das sich aufdrängt, gesagt werden will und doch viel mehr ist als alles, was schließlich in einer Geschichte untergebracht werden kann. Für Bachmann allerdings wird das Utopische stärker an die Literatur gebunden als bei Frisch. Die Literatur als solche ist utopisch, und sie entfaltet das Utopische vor allem auch, indem sich Leser auf die Texte einlassen. Bei Frisch betrifft das Utopische eher die Erfahrung, die sich nicht aussprechen lässt, was er das Weiße nennt, um das herum geschrieben wird, das Menschsein, das vielleicht ganz anders sein könnte, als es ist. Max Frisch ist der Überzeugung, dass man nie schreiben kann, was das Leben ist. Aber es geht um das Leben, man macht all das um des Lebens willen. Das Leben ist mehr als die Literatur. Die Aufgabe der Literatur ist es, genau dies zu zeigen. Das Leben reicht so weit in einen Möglichkeitsspielraum hinein, dass keine Sprache es einholen kann. Für Bachmann hingegen ist die Literatur weiter als das Leben. Was literarisch entworfen wird, kann lebend niemals eingeholt werden.
    Ingeborg Bachmann und Max Frisch kämpfen um ihre Beziehung, versuchen von Tag zu Tag, sich aufrecht zu halten in ihrem Ringen um ein Gelingen der Arbeit und des Zusammenlebens.

Ausflüge ins Unbeschwerte
    Was gibt Ihnen unversehens das Vertrauen, daß sie sich
mit einer Frau intim verstehen könnten: ihre Physiognomie, ihre Lebensgeschichte, ihre Glaubensbekenntnisse u.s.w. oder ein erstes Zeichen, daß man im Humor übereinstimmt, wenn auch keineswegs in Meinungsfragen? 1

Rom 1961
    Aber selbst in der Via de Notaris gibt es manchmal eine Explosion der ganz anderen Art, wenn sich nämlich Leichtigkeit einstellt, wie durch ein Wunder eine heitere Stimmung herrscht. Natürlich nicht, wenn René Hocke zu Besuch ist, aber manchmal im Beisammensitzen mit Uwe Johnson. Das ist dann so etwas wie ein »anderer Zustand«, in dem Bachmann und Frisch zu Hause sein können. Sie sind keine Fremdlinge im Bereich von Humor, Heiterkeit und Ironie, auch wenn es den Anschein haben mag.
    Es gibt diese Stunden, in denen Bachmann und Frisch fast vergessen, unter welcher Anspannung sie leben. Max Frisch vor allem mag es, Gäste zu haben, er feiert gern, er genießt es, mit anderen zusammen zu essen und zu trinken. Er ist ein großer Lacher, genießt sowohl den ernsten wie auch einen lockeren Umgang miteinander. Gewiss, in Rom legt er großen Wert darauf, mit der Arbeit vorwärtszukommen, sich nicht zu zerstreuen. Aber manchmal kommen doch Gäste, Heinrich Böll, Paul Nizon, Hans Magnus Enzensberger, und Pina, das Mädchen mit der Spitzhaube, serviert dann. Frisch hat seinen Spaß, vor allem, sobald einer seiner Gäste die ihm selbst sowieso ziemlich dubios erscheinende Etikette nicht einhält, wie man es sich zum Beispiel von Heinrich Böll erzählt, und wenn Pina dann einen verwunderten Gesichtsausdruck bekommt. Nicht immer aber ist Pina zugegen, und als Martin Walser einmal zu Gast ist, spielt Frisch selbst den Hausherrn und bewirtet, denn Bachmann ist krank und liegt im Bett. Walser, der ein wenig verliebt ist in die Dichterin, setzt sich auf ihren Bettrand und plaudert mit der Kranken. Frisch, wie immer misstrauisch und eifersüchtig, kommt alle paar Minuten, um nach dem Rechten zu schauen. So versammelt sie den Geliebten und einen Verliebten um sich, beide ernsthaft bemüht. Und sie selbst ist die Hauptfigur: Sie wird es genossen und innerlich gelächelt haben über den Eifer der beiden Männer.
    Das öffentliche Bild der Ingeborg Bachmann ist nicht das einer fröhlichen, lachenden Person. Die Frage ist, ob man mit einer Ingeborg Bachmann überhaupt jemals unbeschwert sein kann? Lange schon geht sie ja herum mit diesem Stempel der Ernsten, immerzu und an allem Leidenden. Ein scheinbar eindeutiges Bild. Was aber, wenn man in die Nähe der Person Ingeborg Bachmann nur dann kommt, wenn man ihr das Anwesend-Abwesende lässt, die

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