Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Natürlich ist es nicht wahr, dass wir in einer Zeit ohne Dramen leben. Natürlich sind die Dramen in Beziehungen in einer solchen Schriftstellerliebe wahrscheinlich noch dramatischer als anderswo. Aber Ingeborg Bachmann und Max Frisch sind eben auch große Widersprecher, Durchstreicher alles einmal Gesagten. Und sie ironisieren sich selbst, immer wieder, hörbar deutlich. Sie schreibe Heimatromane, weil ihr die Asphaltliteratur zuwider sei, beginnt Bachmann ihr erstes Gespräch mit Hans Werner Henze. Er glaubt ihr, er fällt herein auf ihren Witz. Sie schreibt in der Tat Heimatromane, aber diese Heimatromane sind gleichzeitig Asphaltliteratur, spielen vor allem in Wien, in der Großstadt. Bachmann nimmt sich selbst auf die Schippe und packt ihr Gegenüber, in diesem Fall den schönen jungen, hochbegabten Komponisten Hans Werner Henze, mit drauf.
Ein anderes Beispiel: In einem Interview vertritt Bachmann die Ansicht, die Männer seien unheilbar. Als ihr Gesprächspartner ein wenig irritiert schaut, blickt sie ihn an und fragt ihn, ob er das nicht schon gewusst habe. Damit ist dem Satz auch bereits seine ernste Absolutheit genommen. Für wen hält dieser Herr sie, Bachmann, denn? Als könnte sie nicht lachen über sich selbst. Das kann sie nämlich, aber wie. Zu leben mit einem Mann im Wissen, dass er nicht anders ist als die anderen Männer, dass kein Mann die Frauen je verstehen wird und die Liebe schon gar nicht, dass die Männer auf einem anderen Planeten leben, von dem aus sie ihren Geliebten, ihren Ehefrauen Schreckliches zufügen. Es ist ein Klischee, und einem Klischee kann man nur mit Humor begegnen. Ingeborg Bachmann heiratet Max Frisch nicht, obwohl er ihr einen Antrag macht. Das wäre in ihren Augen eine unmögliche Situation. Aber wie sie das sagt, so übertrieben überzeugt, so frenetisch überzeugend, ist es auch ein Witz, der ungläubiges Staunen hervorruft beim Zuhörer. Denn im Aussprechen des einen Satzes liegt der Sprecherin das Widersprechen auf der Zunge. Nirgendwo zeigt sich die intellektuelle Seite der Ingeborg Bachmann deutlicher als in ihrer speziellen Art von Humor. Nicht jeder versteht sie darin, und es ist fraglich, ob Max Frisch ihr immer folgen kann, denn er ist nicht unbedingt ein Mann für humorvolle Anspielungen. Ihm liegt das Lachen auf der Zunge, und es will heraus, direkt und unvermittelt. Max Frisch ist kein Polterer, aber ein spontaner Mensch.
Auf Frischs Teller herrscht nicht dieses ewige Durcheinander wie bei Bachmann, er ist kein Knusperer und Knabberer, ebenso wenig mag er ausgefeilte Hintersinnigkeiten, hingeworfene Witzbrocken. Manchen Scherz Bachmanns wird er überhören, und sie wird so manches Mal ein wenig erschrecken über seinen direkten und sehr menschenfreundlichen Humor. Wenn aber beide Formen des Humors, der Ironie, zusammenkommen, dann ist es perfekt, und Bachmann und Frisch verkörpern wirklich so etwas wie ein erstes Paar. Dann zerschlagen sie alle Spiegel, treten aus allen Bildern.
Max Frisch arbeitet vom frühen Morgen bis in den frühen Nachmittag hinein. Er ist ein disziplinierter Arbeiter ohne große Schreibblockaden. Ingeborg Bachmann hört sein Tippen im unteren Stockwerk, es lähmt sie, oder sie meint vielleicht auch nur, es lähme sie, weil sie einen Grund sucht für die eigene Blockade. Es ist nämlich nicht immer so bei ihr.
1954, in ihrer ersten römischen Wohnung, Piazza della Quercia 1, scheint sie zumindest nachts nicht unter Schreibblockaden gelitten zu haben, denn ihr Maschinengeklapper war so stark, dass Anwohner sich davon gestört fühlten und die Polizei riefen. Bachmann erklärte den verdutzten Polizisten, sie sei Dichterin und könne nur nachts schreiben. Zur Verdeutlichung fuchtelte sie mit einem Blatt Papier herum, auf dem ein paar Zeilen standen.
Aber jetzt, mit dem konsequenten Schreiber Frisch in der gleichen Wohnung, erlebt sie immer wieder Blockaden, und dann geht sie am liebsten aus dem Haus, flüchtet, schlendert durch die Straßen, setzt sich in den Friseursalon, blättert in Zeitschriften. Sie betrachtet die schönen römischen Menschen. Für Schönheit ist sie jederzeit offen. Zum Beispiel sieht sie den Straßenarbeitern mit ihren schwitzenden und gebräunten Oberkörpern gern zu, wenn sie den Teer aufspritzen oder den Kies aufschütten. Ganz sicher blickt sie den Postboten hinterher, für die sie eine ausgesprochene Schwäche hat, und überlegt, wem wohl welche Nachricht ins Haus flattern könnte. Die halb blinde
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