Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Ingeborg Bachmann, die wie eine Schleiereule die Straßen entlangwandelt, kriegt doch alles mit, auch das, was sich am Rand, in einer Straßengrube, auf einem Bauplatz, abspielt. Es gibt genug zu entdecken in dieser Stadt, draußen, und in den Zeitschriften, den Anzeigen, der Werbung. Im Friseursalon wird sie manches anspringen und sich beizeiten verwandeln in Geschriebenes, auch wenn zunächst nur die Blockade im Vordergrund zu stehen scheint und die Angst vor der immensen, fast brachialen Arbeitsenergie eines Max Frisch. Zuerst unter die Haube beim Friseur, ein wenig blättern in den Illustrierten, dann mit neuer Frisur durch Rom schlendern, und man darf drauf wetten, dass sie ihn vor sich sieht, ihren Max, wie er, die Pfeife im Mundwinkel hängend, Buchstabe für Buchstabe in die Maschine tippt. Und dass sie sich diebisch freut darüber, dass sie nicht den Wunsch verspürt, ihm etwas zu kochen für hinterher, wenn er, erschöpft von der Arbeit und hungrig, durchs Haus tigert, weil das Hausmädchen gerade heute ihren freien Tag hat.
Max Frisch empfängt in Rom gemeinsam mit Ingeborg Bachmann auch immer wieder seine Kinder, und sie erleben unbeschwerte Stunden zusammen. Die Kinder, Ursula, Peter und Charlotte, mögen Ingeborg Bachmann, mit Max Frischs ältester Tochter Ursula geht sie sogar Schuhe kaufen. Bei dem jungen Mädchen prägt sich dieses Erlebnis so intensiv ein, dass sie viele Jahre später in einem Buch mit Erinnerungen an ihren Vater davon erzählt. Sie seien fröhlich gewesen, nach dem gemeinsamen Schuhkauf hätten sie sich mit Max Frisch in der Stadt getroffen, und er sei erfreut gewesen über den guten Geschmack der beiden Schuheinkäuferinnen. Das klingt sehr normal, alltäglich, unspektakulär. Und hat seinen festen Platz im Zusammenleben Frischs und Bachmanns. Auch in Briefen an seine Tochter erwähne Frisch solche Momente eines leichteren, heiteren Alltags, schreibt Ursula Priess in ihrem Buch über den Vater.
Erstaunlich ist auch Ingeborg Bachmanns Neigung, sich in ihrer Prosa immer wieder ein wenig lustig zu machen über bestimmte Leute, unter anderem über die, die ausschlaggebend beteiligt waren an ihrem eigenen frühen Ruhm, nämlich die Journalisten in den Feuilletons großer und kleiner Zeitungen. Man war sich im Kreis der Literaturkenner doch einig darüber, dass der Mensch ein dunkles Wesen sei, der Einsamkeit verpflichtet, und vor allem die Dichter seien monologisch, verzweifelt und geben der Einsamkeit eine Stimme. Welche Unverschämtheit, wenn nun diese Dichterin, der man die Leiter zum Erfolg hingestellt hatte, der man geholfen hatte, ganz nach oben zu klettern, auf einmal von Sklaverei spreche. Dass man als Dichterin die Sklavin der Zeitungen sei, die Sklavin der öffentlichen Meinung und sich die Leser auch zu Sklaven mache. Und dann will man persönlicher sein, spricht die Dichterin an auf ihren Alltag, ihre Lieblingsbeschäftigung, und sie antwortet rundweg, sie sei überhaupt nie beschäftigt, sie könne das überhaupt nicht aushalten, in einer Welt, die birst vor lauter Geschäftigkeit, selbst auch noch beschäftigt zu sein. »Sie sehen ja diese wahnwitzige Geschäftigkeit in der Welt und diese infernalischen Geräusche hören sie doch, die von ihr ausgehen.« 2 Und eine Meinung habe sie auch keine, zu nichts, und warum auch sollte sie eine Instanz sein. Nein, sie wolle nicht wirken, denn mit jeder Wirkung komme ein neues Missverständnis hinzu.
In ihrem Libretto zu Hans Werner Henzes Oper Der junge Lord wird Ingeborg Bachmann später betonen, dass der Humor auch seine »nationalen Seiten« habe. Also, kann man folgern, wird der Humor eines Schweizers wahrscheinlich etwas anders sein als der Humor einer Österreicherin. Es kann sein, dass man sich knapp verfehlt und nicht immer in einem Atemzug über die gleichen Dinge lachen kann. Bachmann zeigt in ihren Notizen zu dieser Oper, dass es nicht darum geht, sich lustig zu machen, in schallendes Gelächter auszubrechen ob der Borniertheit von Leuten, die auf einen Affen hereinfallen. Humor, so sagt Max Frisch, entlarve auf subtile Weise, neige sich eher zur Seite des Unsicheren, habe eine Verwandtschaft mit der Scham. Das Ende seines Stücks Don Juan ist humorvoll, wenn Miranda andeutet, sie sei schwanger, und Don Juan antwortet. »Wir sind so weit.« Vordergründig spricht er zum Diener, der das Essen servieren soll. Eine zweite Bedeutungsschicht betrifft aber die Beziehung zu Miranda. Ja, nun ist alles, wie es sein soll in der
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