Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Widersprüche, das sichtbar Unsichtbare? Tatsächlich gibt es gar nicht so wenige feine Hinweise, Zeichen für eine humorvolle, ironische Seite bei Ingeborg Bachmann. Humor sei nicht das schallende Gelächter, Humor sei »rarer und bestürzender«, schreibt Max Frisch im Programmheft zur Uraufführung von Biedermann und die Brandstifter. Wenn man zum Beispiel Fotos anschaut, auf denen Bachmann und Henze zu sehen sind, wird einem genau dieser Aspekt des Humorvollen deutlich: Als könnte es gar nicht sein und ist eben doch. Da steht eine lachende Ingeborg Bachmann, die auf einen Schlag alles hinter sich lässt, was über sie geredet wird. Im Betrachter stellt sich eine Art heitere Bestürzung ein, und gemeinsam mit Ingeborg Bachmann lacht er über vielleicht nichts. Die Seltenheit eines solchen Erlebnisses erhöht dessen Reiz.
Reinhard Baumgart, Bachmanns Verlagslektor bei Piper, erzählt in seiner Autobiografie von den Besuchen der Dichterin in seinem Haus. Da bleibe beim Essen immer etwas auf ihrem Teller zurück, ein wüstes Durcheinander, und dann, bei der gemeinsamen Arbeit, suche sie permanent Manuskriptseiten, lasse alles Mögliche fallen, was schon lästig sein könne. Aber er, Baumgart, gehe einfach gar nicht darauf ein, sondern betone immer und immer wieder, das alles kriege man schon hin und es sei nicht weiter schlimm. Und dann könne es sein, dass die Dichterin in Lachen ausbreche, weil sie eine Rolle fallen lassen könne, die Rolle der Schutzbedürftigen, der Hilflosen, der Armen, Zerstreuten. Baumgart erlebt sogar eine regelrecht fröhliche Ingeborg Bachmann bei sich im Garten, morgens am Frühstückstisch. Er spricht von ihrem »Strahlen«, dem Leuchten ihres Selbstbewusstseins, ihrer »Animalität«. Ingeborg Bachmann weiß, dass die literarische Öffentlichkeit in ihr die hypersensible, schwer an ihrem Leben leidende Dichterin sieht und dass darüber getuschelt wird, dass sie nie dort ankäme, wo man sie erwarte, sondern dass sie in die falschen Züge einsteige, an den falschen Bahnhöfen aussteige, überhaupt immer überall zu spät sei. Manchmal ist das ja auch so, ganz aus der Luft gegriffen sind solcherlei Zuschreibungen nicht. Der Lektor, Baumgart, kennt diese schusslige, zerstreute Bachmann schließlich auch. Und jetzt lebt sie zusammen mit einem, der ebenfalls eine Art Gerüchtefigur ist, in dem die gleiche literarische Öffentlichkeit unter anderem auch den Schwerenöter zu sehen glaubt, und so stellt sie sich vielleicht auf ihren Reisen vor, wie Frisch, ihr Schwerenöter, allein in der Wohnung in Rom herumgeht, es schwer hat und sich überlegt, was sie wohl treibt, wenn sie nicht bei ihm ist. Und sie hofft, dass er nicht vergisst, die Extrawurst zu kaufen, die sie sich wünscht, wenn sie zurückkommt nach Rom, und die es hoffentlich nicht nur in Wien gibt, wo man sie direkt unter diesem Namen kaufen kann, sondern auch in den römischen Metzgereien.
Und Max Frisch, der Frauenversteher, der Frauenerfinder? Er weiß ja doch, dass er die Frauen nicht versteht, nie verstehen wird, dass er an ihnen herumrätselt und sich dann wundert, wenn sie sich nicht so verhalten, wie seine Deutung es verlangen würde. Aber auch er ist überzeugt, dass diese Liebe einmalig ist, nicht lebbar im Grunde, aber Bachmann und er, sie sind ein erstes Paar, versuchen es zu sein. Und ein erstes Paar ohne Lachen kann es nicht geben. Ein erstes Paar tritt aus allen Bildern heraus, auch aus den Inszenierungen der eigenen Person. Es lässt fallen, was ihm an Wiedererkennungsmänteln übergeworfen wurde, und streift ab, was es sich selbst zugesprochen hat an theatralischer Maskerade. Gelungene Momente stellen sich dann ein, wenn scheinbar festgefügte Rollen durchbrochen werden, die öffentliche Meinung hinters Licht geführt und die gebildete Allesversteher-Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt wird.
Das Spiel mit der Identität ist für Bachmann und Frisch immer auch ein humorvolles Spiel, in dem vor allem selbstironische Bemerkungen ihren Platz haben. Max Frisch spielt mit seiner Frauenversteherrolle, Ingeborg Bachmann spielt mit ihrer Rolle als hyperfragile Dichterin. Sie gaukeln der Öffentlichkeit etwas vor, halb im Ernst, aber häufig auch halb ironisch. Denn der Vorhang hat sich lange schon gehoben, das Publikum hat Platz genommen, kein Sitz ist mehr frei, und auf den Logenplätzen sieht man die hoch erhobenen Häupter ganz besonders wichtiger Leute, die sich auskennen bei den Dichtern und Dichterinnen.
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