Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Ehe. Für Juan ist es eine Entlarvung, er schämt sich ein wenig vor sich selbst. Er hat kapituliert und ist seiner einzig wahren Geliebten, der Geometrie, untreu geworden. Und Miranda versteht ihn, entwirft das Bild einer Zukunft, in der es Don Juan gar nicht mehr geben wird, nämlich dann, wenn er sich wirklich freuen kann über das Kind.
Max Frisch ist kein Don Juan, und er liebt nicht vor allem die Geometrie. Aber ein wenig spielt auch er damit, was es heißen könnte, wenn man irgendwann in einer Beziehung sagte: »Wir sind so weit.« Und so macht er Bachmann einen Heiratsantrag, ein Experiment, ein Spiel mit nicht ganz offenem Ausgang, weil er ja weiß, sie wird das niemals tun, sie wird nicht heiraten. Sie würde zu einer veritablen Komödie, die Geschichte mit Ingeborg Bachmann, wenn die Geliebte sich einließe auf eine Ehe mit Frisch. »Wir sind so weit«, hieße es dann. Und was kommt nun?
Ironie und Selbstironie, ein Humor der leisen Art, Komödien der Entfremdung: Ingeborg Bachmann und Max Frisch sind auch hier zu Hause. Ihre komischen Figuren sind meistens gescheiterte Figuren, die weiterleben, indem sie widersprechen, sich selbst und ihren Lebensentwürfen, den anderen Menschen und ihren Zuschreibungen. Dem Leben selbst, das Ingeborg Bachmann eine »Kränkung« nennt. Aber auch dieser Aussage widerspricht sie in ihrer Faszination für den Süden, das Licht, die Schönheit. Selbst die gescheiterten Existenzen in Frischs und Bachmanns Werk sind keine ganz und gar unfreien Existenzen, im Gegenteil. Indem sie auch anders leben könnten, sich für eine andere Existenzform entscheiden könnten, eröffnen sie sich einen Freiraum, den nur die haben, die widersprechen, nicht zuletzt sich selbst.
Und was die reale Liebesgeschichte der beiden betrifft: Warum sollte nicht unter anderem das gleiche Gespür für Humor sehr schnell eine Nähe hergestellt haben? Was wäre abwegig an einem solchen Gedanken? Wenn man miteinander lachen kann, anstatt, wie es Frisch zufolge bei Dürrenmatt der Fall ist: dass einer über den anderen lacht. Kein Mensch sei lächerlich, so die Meinung Bachmanns. Sie würde nie über einen anderen Menschen lachen, höchstens über die Rollen, die er sich zulegt, und Frisch stört es in seiner Beziehung zu Dürrenmatt, dass der ihn zur Humorlosigkeit verdonnere, eben weil er über einen lache und nicht mit einem. Einen überraschenden Moment herstellen zu können, einen Satz zu sagen, der das Gegenüber verdutzt. Indem Frisch bei der ersten Begegnung mit Bachmann die Frage an sie richtet, ob sie mit einem Kind lebe, erzeugt er sogleich eine Leichtigkeit, erweckt in Bachmann die Ahnung, dass hier einer so rein gar nichts weiß über sie. Da ist eine Distanz zur Lebensgeschichte, zu den vergangenen und gegenwärtigen Dramen, und aus dem Stehgreif ist man in einer Art Komödie gelandet. Ein Anflug von Bestürzung und dann das erleichterte Lachen.
In den Jahren des Zusammenlebens, vor allem in Rom, in der Via de Notaris, werden die Momente zahlreicher, in denen Missverständnisse überhandnehmen, das Zerwürfnis droht. Eine Zeit lang schafft das Paar es, immer wieder, mit Humor, auch dem Schrecken zu widersprechen, der Lüge, der Eifersucht und jeder Art von Fremdheitsempfinden. Bis schließlich doch im Leben fast kein Widersprechen mehr möglich ist.
Mord ist keine Kunst
Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, daß man nur
in einem Krieg ermordet wird oder in einem Konzen-
trationslager – man wird mitten im Frieden ermordet. 1
Rom 1962
Für die Liebesbeziehung zwischen dem »Hätschelkind der deutschen Literatur« und dem »Weiheknaben«, wie Frisch Ingeborg Bachmann und sich selbst in einem Interview mit Volker Hage 2 tituliert, ist 1962 das Alles-oder-nichts-Jahr, das Jahr, in dem es sich entscheidet, ob sie zusammenbleiben oder nicht. Kleine Trennungen gibt es immer wieder, und meistens gehen sie von Bachmann aus, denn sie unternimmt, wie bereits erwähnt, viele Reisen, vor allem Lesereisen oder Reisen etwa zu Tagungen der Gruppe 47. Und in diesen Fällen erwartet sie, dass Frisch selbstverständlich in Rom ihrer Rückkunft harrt. Wann genau sie zurückkommen wird, gibt sie niemals an.
Max Frisch wartet nicht gern, weil er weiß, wenn er wartet, dann richtet er sich ein in diesem Zustand. Er hat lieber Planungssicherheit. Aber schließlich wartet er doch, sehnt sich, arbeitet wie immer und trinkt aus sehnsüchtiger Verzweiflung. Ist die Geliebte zurückgekehrt, zeigt er sich mit ihr,
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