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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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betreibt. Man schreibt den Namen, wie man ihn spricht: UMAFISA. Die transportieren in erster Linie Frachtgüter, haben aber vor einiger Zeit ihre Schiffe umgebaut, sodass sie auch ein paar hundert Passagiere mit an Bord nehmen können. Vielen Dank, Tilly. Ich sehe hier gerade, dass die Schiffe in Barcelona vom Kai Estación Maritima B aus ablegen.« Er sprach es in recht passablem Touristenspanisch aus.
    Ich dankte ihm überschwänglich.
    »Denken Sie an uns auf Ihrer Reise!«, sagte er.
    »Mist«, sagte Nel und fuhr den Computer herunter.
    »Balearen, das heißt Mallorca, Menorca und so weiter. Wir fahren ganz gemütlich nach Barcelona. Unterwegs können wir uns abwechseln, wir fahren die Nacht durch und sind morgen gegen Mittag da.«
    »Also folgen wir Brack nicht direkt?«
    »Wir wissen ja, wohin er will und sorgen dafür, dass wir vor ihm da sind.«
    »Wir könnten auch fliegen.«
    »Ich glaube, auf der Rückreise ist es mit dem Auto bequemer.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Du denkst daran, den Jungen zu entführen?«
    »Ich denke überhaupt nichts. Das Wetter ist schön, und du möchtest doch bestimmt mit? In einer Woche macht sich der Rest der Niederlande auch auf den Weg nach Mallorca. Die können sich doch nicht alle irren? Ich kaufe dir auch einen hübschen Bikini.«
    Die Ferien hatten noch nicht begonnen, aber der Treck nach Süden mit vollgeladenen Autos und Wohnwagen oder Faltcaravans im Schlepptau war bereits in vollem Gange. Man braucht nur im Sommer durch Europa zu fahren, um festzustellen, dass es in den Niederlanden mehr Wohnwagen gibt als in irgendeinem anderen Land der Welt. Laut meiner nach Irland ausgewanderten, astrologisch angehauchten Freundin Marga liegt das daran, dass die Niederländer ein Krebsvolk sind. Krebse fühlen sich in ihrem eigenen Haus am wohlsten und nehmen es daher einfach mit in Urlaub.
    Nachts wurde es ruhiger auf den Straßen. Nel fuhr, ich schlief ein wenig.
    »Wo würdest du dich verstecken, mit einem Kind?«, fragte Nel.
    »Egal, irgendwo.«
    »Und wenn die Polizei nach dir suchte?«
    »Hängt davon ab, wie intensiv sie suchen würden.«
    »Schlaf ruhig weiter«, sagte Nel.
    Ich dachte eine Weile lang nach. Scheinwerfer reihten sich zu leuchtenden Schnüren aneinander, die auf der anderen Seite der Mautautobahn auf und nieder wogten, ebenso einschläfernd wie die französischen Schmachtfetzen in Radio Nostalgie , dem Sender, für den Nel sich nach vielen Programmwechseln und Herumdreherei an den Knöpfen entschieden hatte.
    »Die einfachste Lösung ist immer die beste«, sagte ich. »Nicht nach Timbuktu oder Alaska, denn da fällt man viel mehr auf als hier in Europa. Es gibt keine Grenzen mehr, man braucht nirgendwo mehr Papiere vorzuzeigen. Europa ist sicher. Man mietet ein Haus auf Mallorca, da fällt man inmitten der internationalen Gemeinschaft in all den anderen kleinen Villen gar nicht auf. Ich glaube, man kann sich sogar im Rathaus als neuer Einwohner melden und eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, wie immer das auf Spanisch heißen mag.«
    »Aber dafür braucht man doch eine Abmeldebescheinigung vom früheren Wohnort?«
    »Ach ja? Aber so ein Dokument kann doch kein großes Problem sein, eine Umzugsbestätigung oder irgendeine andere Urkunde mit unlesbarem Stempel und der Unterschrift eines Beamten der fiktiven groningischen Gemeinde Tjoerdammerzwaag? Meinst du wirklich, die arme Sekretärin im Rathaus von Tardos Campanilos hätte Lust, das Vorleben eines anständigen Ehepaares mit Kind zu kontrollieren, das obendrein dem Staat nicht zur Last fällt?«
    »Eine Frau wurde ermordet«, sagte Nel.
    »Wer sieht denn einen Zusammenhang zwischen dem anständigen Ehepaar und einem Mord? Sogar ich könnte einen Mord begehen, und der Polizeipräsident könnte mit seiner Wochenendjacht vorbeikommen, während ich mit einem Drink auf meinem Bootssteg säße, und er würde mich nicht erkennen, selbst wenn mein Foto Tag und Nacht vor seiner Nase in seinem Büro hinge.«
    »Blödsinn.«
    »Okay, dann würde ich mir eben einen Bart wachsen lassen.«
    Sie fuhr ein Weilchen durch die Nacht und sagte dann: »Sie werden für den Rest ihres Lebens auf der Hut sein müssen.«
    »Blödsinn. Wenn sie auf der Hut sind, dann nur, weil sie ein schlechtes Gewissen haben, nicht, weil es notwendig ist. Du liest die falschen Bücher.«
    »Welche falschen Bücher?«
    »Die, mit denen die Leser betrogen werden. Mit unnützer Geheimniskrämerei, falscher Spannung, der Andeutung von nicht

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