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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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ein als noch einmal »nein« zu sagen.
    Nel radebrechte: »Benvinguts al nostre país per la xarxa viària …«
    »Das kann doch nicht so schwer sein, wenn es direkt darunter auch noch in Spanisch und Französisch steht.«
    Ich hätte zehn entführte Kinder im Auto haben können. Die Grenze war ein Ort, an dem hübsche Mädchen am Straßenrand die Reisenden in ihrem schönen Katalonien willkommen hießen und ihnen mehrsprachige Prospekte mit Tipps für unterwegs überreichten. Ich erkannte nichts wieder; neue Straßen, ein neues Europa. Früher hatten hier die riesigen Reklamestiere und die dunklen Caballeros von Osborne Sherry das Grün überragt.
    »Ist es schlimm, wenn das Katalanische verschwindet?«, fragte Nel.
    »Jedes Jahr sterben an die hundert Sprachen aus. Vielleicht sogar hundert pro Tag, ich weiß es nicht genau.«
    Nel lachte. »Baskisch und Korsisch versteht auch kein Mensch mehr. Alle anderen Sprachen können ruhig verschwinden, denn wenn wir alle Englisch sprechen, verstehen wir uns im Internet und brauchen uns nicht mehr gegenseitig Bomben auf unsere Städte zu schmeißen.«
    »Utopia, gleich um die Ecke«, sagte ich. »Im Übrigen wird wohl eher das Chinesische dominieren.«
    »Auch gut. Das ganze Geschrei über die eigene Kultur und den genetisch veränderten Mais löst ja sowieso nur extremistische Reaktionen aus.« Nel war leicht zu provozieren. »Fast Food ist schlecht und nieder mit Amerika, aber im Buffalo Grill wird man durchaus schneller und freundlicher bedient und kriegt sogar noch leckereres Essen als in den meisten dieser authentischen französischen Restaurants, wo man sich das Entrecôte gleich unter die Schuhe nageln kann.«
    »Wow. Erlebnisreisen mit CyberNel.«
    »Na klar doch. Auf die autopistas.«
    »Du bist doch schon mal hier gewesen«, sagte CyberNel.
    Ich konnte noch nicht mal mehr irgendwo mein Auto parken. Blanes war nicht wiederzuerkennen; ein Gewirr von Straßen und Boulevards, Apartmenthäusern und Hotels. Den kleinen Felsen gab es noch, fünfzig Meter vor der Küste gelegen, aber jetzt führte eine alberne Fußgängerbrücke hinüber und er war von einer Spirale aus weißem Geländer umgeben, die verhindern sollte, dass die Touristen nass wurden oder runterfielen.
    Ich schleppte Nel an den Strand und versuchte, mich zurechtzufinden. »Der Felsen war früher auch schon da, man musste hinüberschwimmen. An dieser Stelle haben spanische Fischer ihre Boote geteert und mit ihren Netzen hantiert. Es gab nur niedrige weiße Häuser, und man konnte einfach irgendwo klingeln und mit Händen und Füßen den Preis eines Apartments aushandeln. Terrakottafliesen auf dem Boden und alte spanische Möbel. Man konnte auf dem Balkon ein Buch lesen und dabei seiner Frau zusehen, wie sie im Sand lag und braun wurde.«
    »Die andere Ingrid?«
    Ich nickte. »Den Boulevard mit den vielen Hotels gab es noch nicht. Man ging am Strand entlang, vorbei an Dünen und unwegsamem Gebiet. Irgendwo mündete ein Fluss ins Meer. Ein Stück weiter lag Calella, auf der anderen Seite Lloret de Mar, da sind die Niederländer damals schon mit Bussen hingefahren und man konnte sich denken, wo das mal enden würde. Na ja, die Spanier verdienten Geld damit, kommt also nur drauf an, von welcher Warte aus man es betrachtet.«
    Sie drückte meine Hand. »Ich kann ja verstehen, dass du wehmütig wirst, aber du solltest nicht jammern.«
    Ich legte ihr den Arm um die Schultern und ging mit ihr zurück. Gegenüber von unserem Parkplatz gab es eine Boutique, in der wir ein olivfarbenes Baumwollkleid, einen breitkrempigen Hut und einen Bikini für Nel kauften, und dazu Sonnenbrillen sowie ein Hemd mit spanischen Stieren drauf, eine Kappe und eine lächerliche Badehose für mich, für die Balearen. Die Küstenstraße nach Barcelona war ein einziger, aneinander gereihter Alptraum von Industrie, Hässlichkeit und zu viel Verkehr.
    Ein Polizist erklärte uns den Weg zur Estación Maritima B.
    Ein langer Kai, an Reihen von Lkws vorbei, die hauptsächlich Softdrinks und Bier geladen hatten. Das erste Schiff, das ich sah, war die Maasdam.
    Ich hielt an und starrte verdutzt den alten Seeriesen an, dessen stählerne Schiffswand, Relings, Decks und Schornsteine einige hundert Meter Kai überschatteten.
    »Was ist denn?«, fragte Nel. »Noch mehr nostalgische Erinnerungen?«
    »Die Maasdam«, sagte ich. »Ein Stück vaterländische Geschichte, umgebaut zum Kreuzfahrtschiff. Soweit ich weiß, wurden damit noch ehemalige

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