Ingrid
Sentimentalität herkam. »Ich glaube, Jenny war eine gute Mutter.«
Nel sagte: »Heben Sie sich die Melodramatik für Ihre Beichte bei Ihrer Verlobten auf. Wie viel haben Sie Ihr gezahlt?«
Niessen schaute beleidigt drein. »So um die vierzigtausend Gulden, über die letzten zwei Jahre verteilt. Für das Kind.«
Ich versuchte, ihm in die Augen zu schauen. »Und sie wollte noch mehr?«
Er nickte, widerwillig. »Sie wollte, dass ich ihr helfe, ein anderes Haus zu suchen, am liebsten irgendwo an der Vecht. Das war mir natürlich nicht so ohne weiteres möglich, und da fing sie an, mir Vorwürfe zu machen und mich zu bedrohen. Die Geschichte wurde äußerst unangenehm.«
»Sie brauchte Hilfe«, sagte CyberNel streng.
Er schaute lieber mich an. »Ich dachte, sie würde bestimmt bald in der Firma aufkreuzen, um mir in aller Öffentlichkeit eine Szene zu machen und mich bloßzustellen.«
»Am Mittwoch nach dem Mord zum Beispiel?«
Die Bemerkung erschreckte ihn. »Wieso?«
»Jennifer hatte an diesem Mittwoch eine Verabredung in Amsterdam, deshalb kam die Nachbarin vorbei, um auf Tommy aufzupassen.«
»Ich … Davon weiß ich wirklich nichts.« Er druckste ein wenig herum. An dem Mord war er vielleicht unschuldig, aber irgendetwas anderes bereitete ihm Probleme. Sein Gewissen vielleicht.
»Sie hatten die besten Motive für den Mord an Jennifer«, sagte CyberNel mitleidlos. »Die anderen Kandidaten könnten es aus Rache oder Leidenschaft getan haben, aber für Sie wurde die Sache mit Jennifer zu einer Bedrohung für Ihre gesamte Existenz.«
»Max«, sagte er mit einem verzweifelten Blick zu mir. »Ich habe sie nicht ermordet. Würde ich dich dann etwa engagieren und dir all diese Dinge erzählen?«
Ich antwortete mit einem ruhigen Nicken. »Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand so etwas zum Schein tut. Wo warst du in der Nacht zum Mittwoch, den 14. Juni?«
»Zu Hause bei Vredeling. Wir haben mit einem kleinen Abendessen meine Partnerschaft gefeiert und in diesem Rahmen auch Louises und meine Verlobung angekündigt. Gegen Mitternacht sind wir in ihre Wohnung gegangen, und ich habe bei ihr übernachtet.«
Ich schaute ihn nachdenklich an. »Ich kann mir vorstellen, dass dir die Vorstellung, dein zukünftiger Schwiegervater und deine Verlobte müssten als Zeugen dein Alibi bestätigen, Alpträume bereitet.«
Seine Stimme klang plötzlich heiser. »Ich würde mich mit dem Teufel verbünden, um das zu verhindern.«
»Danke«, sagte ich.
Am nächsten Morgen kam Ingrid, um mir Tommy zu zeigen.
»Und, was hast du für einen Eindruck?«, fragte sie, nachdem sie mich fest umarmt und auf den Mund geküsst hatte.
Ich grinste Tommy an. Ingrid sah wieder sehr tugendhaft aus in ihrem beigefarbenen Kostüm, zu dem sie eine Seidenbluse und einen Schal um den Hals trug, sodass man ihre Formen darunter nur erraten konnte. »Wovon?«
»Von Tommy«, sagte sie, als sei das selbstverständlich. »Peter versteht nichts von Kindern, aber du bist doch selbst Vater?«
»Stimmt, ich habe einen Sohn«, gab ich zu. »Woher weiß du das?«
»Du hast es mir erzählt.« Einen Moment lang wirkte sie verunsichert. »Er lebt im Ausland, oder?«
Ich sprach selten über Jeremy und konnte mir nicht vorstellen, dass ich ihn Ingrid gegenüber erwähnt hatte. »Er wohnt in Neuseeland und besitzt dort eine kleine Spielzeugfabrik. Ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen, und ich habe wirklich keine Ahnung von Kindern«, sagte ich ausweichend. »Worum geht es?«
»Ob ich Tommy so vorzeigen kann.«
Tommy schlug seine ET-Augen zu mir auf. Sein Blick war unsicher. In seinem nagelneuen Kleinkindanzug, den geputzten Schuhen und mit den gekämmten Haaren sah er frisch gewaschen und ziemlich unglücklich aus. Fußball spielen oder mal rasch über die Straße laufen konnte er damit bestimmt nicht. Ich wollte schon fragen, ob sie wieder zu einer Beerdigung müssten, konnte mich aber noch rechtzeitig bremsen. »Für welchen festlichen Anlass hast du ihn denn so herausgeputzt?«
»Heute Nachmittag kommt eine Dame vom Jugendamt bei uns vorbei.«
Ich vermutete, dass Ingrid völlig falsche Vorstellungen vom Jugendamt hatte, wie so viele Leute, die immer nur Gruselgeschichten von der jeweiligen Verliererpartei zu hören bekommen, wenn es Streitigkeiten wegen des Sorgerechts gibt. »Wegen der Adoption?«
»Ja. Nachdem ich die vorläufige Pflegschaft für ihn übernommen habe, müssen die Untersuchungen innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Es geht um
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