Ingrid
er?«
Ich zögerte. »Er will unter allen Umständen vermeiden, dass sein Name publik wird. Ich glaube allerdings, dass Tommy seinen Namen herausfinden kann, wenn er später einmal wissen möchte, wer sein richtiger Vater ist. Das Gericht kann festlegen, dass du und Peter ihn nicht daran hindern dürft, wenn er jemals die Neigung dazu verspürt. Es kann sogar sein, dass du eine Erklärung unterzeichnen musst.«
Sie machte ein unwilliges Gesicht. »Ist das wirklich nötig?«
»Kinder haben ein Recht darauf, zu wissen, wer ihre leiblichen Eltern sind. Tommy ist kein Findling. Seine Mutter ist tot, aber er hat einen Vater. Hierbei geht es um Tommy, nicht um dich.« Um meine Kritik an ihrem Egoismus etwas abzumildern, machte ich einen Witz daraus: »Wenn du für den Rest deines Lebens geheim halten willst, dass Tommy nicht dein eigener Sohn ist, musst du sowieso nach Alaska ziehen, und selbst dann wird es immer jemanden geben, der ihm irgendwann eine E-Mail schickt.«
Ingrid brütete eine Weile vor sich hin, aber dann hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf, als sei ihr etwas Erleichterndes wie: kommt Zeit, kommt Rat, durch den Kopf geschossen. »Ich würde ihm den Namen schon sagen, falls er je danach fragt.«
»Dann ist, was dich angeht, der Fall ja praktisch gelöst.«
»Stimmt.« Sie zögerte, ein wenig geniert. »Trotzdem hoffe ich, dass du bei der Dame vom Jugendamt ein gutes Wort für mich einlegst, falls sie …«
»Kein Problem.«
Ingrid trank einen Schluck von ihrem kalt gewordenen Kaffee. »Mach sobald wie möglich deine Rechnung für uns fertig.«
»Das hat keine Eile.«
»Doch, du hast deine Aufgabe erledigt, und ich möchte die Sache aus der Welt haben. Bestimmt hast du noch etwas anderes zu tun.« Sie stand auf.
»Stimmt, habe ich. Ich suche den Mörder.«
Ingrid erstarrte plötzlich. »Wie bitte? Und die Polizei?«
»Ich komme schon niemandem in die Quere.«
Sie wirkte ein wenig irritiert. »Und wer hat dich damit beauftragt?«
»Mein Klient könnte in Schwierigkeiten geraten, wenn der Mörder nicht rasch gefunden wird«, antwortete ich ausweichend.
»Und, hast du schon eine Idee?« Sie runzelte die Stirn und fügte rasch hinzu: »Jeroen hat gesagt, dass die Polizei glaubt, es habe etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun. Die Mafia vielleicht?«
»Weißt du etwas über ihre Vergangenheit?«
»Nein.« Sie wandte den Blick ab. »Aber wenn Jenny diese Kerle hinter Gitter gebracht hat, wollten die sich vielleicht rächen.« Sie spitzte die Lippen. »Meiner Meinung nach solltest du in dieser Richtung suchen.«
»Oder vielleicht doch im näheren Umkreis?«
Ingrid schüttelte den Kopf, als verstehe sie mich nicht. »Bokhof?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Bokhof zieht keinen Nutzen aus Jennifers Tod.«
»Vielleicht hat er es aus Wut getan oder im Affekt, als er sie belästigte und sie schreien wollte?« Sie schaute weg und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass du in Amsterdam suchen musst.«
Ich hörte, wie drüben ein schweres Fahrzeug anhielt, und dann drangen Geräusche und Stimmen hinter der Hecke hervor. Kurz darauf erschienen Männer in Overalls am Ufer des Wassergrabens, sowohl hinter dem Heuschober als auch hinter meinem Haus. Einige trugen kanariengelbe, wasserdichte Hosen bis an die Hüften und begannen, zwischen den Iris und dem Schilf mit Schlepphaken alte Fahrradräder und mit Schlamm gefüllte Öldosen aus dem Graben zu fischen.
Ingrid schaute ihnen mit großen Augen zu. »Was machen die Leute da?«
»Ich glaube, sie sind auf der Suche nach der Mordwaffe.«
Sie erbleichte. »Oh, mein Gott. Hoffentlich sind sie weg, wenn dieses Weib vom Jugendamt kommt.«
Das Weib vom Jugendamt war offenbar mit den örtlichen Gewohnheiten vertraut, denn sie ging ohne zu zögern um das Haus herum und klopfte an die gläserne Hintertür. Die Leute von der Spurensicherung im Graben waren bereits vor Stunden abgezogen und hatten Schlamm und Müll am Ufer des Wassergrabens zurückgelassen.
»Anniek van Wessel vom Jugendamt in Arnheim«, sagte sie mit kräftiger Stimme und begrüßte mich mit einem energischen Händedruck. Sie machte einen sportlichen Eindruck, hatte einen ausgeprägten Unterkiefer, Sommersprossen, aufmerksame hellbraune Augen und trug eine schlichte Brille.
»Meneer Winter«, sagte sie, nachdem ich sie zu einer Tasse Tee in meiner Küche überredet hatte. »Ich möchte vorausschicken, dass es bei uns nicht üblich ist, mit Nachbarn zu reden oder Zeugen hinzuzuziehen, die keine
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