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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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ist. Du hast also auch mit Harry zusammengearbeitet, und auch den hast du in den Bijlmerknast reinkommen und wieder raus gehen sehen, ungefähr zur selben Zeit wie du. Ich erzähle dir das nur, weil ich ein sehr geduldiger Mensch bin, aber du solltest mir besser keinen Mist vorlügen, zum Beispiel, dass du Harry nicht kennst. Ich behaupte ja nicht, dass ihr zusammen in einer Zelle gesessen habt oder euch gegenseitig in den Hintern gekrochen seid, aber ich wette, du hast schon Kontakt mit ihm aufgenommen, seit er wieder draußen ist, denn du musst doch sicher wieder arbeiten. Oder wolltest du wieder ins Drogengeschäft einsteigen und denselben Fehler nochmal machen?«
    Verächtlich blickte Gürbüz beiseite. »Ich werde mich hüten.«
    »Und ich suche Harry.«
    »Was willst du von Harry?«
    »Ich sag’s dir: mit ihm reden, ein paar Informationen.
    Ein freundliches Gespräch. Ich tue ihm nichts, ich bin bei der Polizei ausgestiegen und kann ihn nicht verhaften, und wenn er mit einer abgedankten Concorde den Palast auf dem Dam in Schutt und Asche legt, geschweige denn wegen so einer Kleinigkeit wie einem Mord.«
    Meine geistreichen Worte beeindruckten ihn nicht. »Ich weiß nicht, wo Harry ist.«
    Wieder schwieg ich. Diese Art von unheilvoller Stille verstand Gürbüz. In Filmen erhält in solchen Pausen der Handlanger einen Wink, stellt sich hinter den Stuhl des Opfers, zieht in aller Ruhe eine Schlinge hervor und testet sie kurz.
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Dann würde ich es an deiner Stelle schnell herausfinden«, sagte ich geduldig. »Sonst muss ich dich im Auge behalten.« Ich warf ihm einen schrägen Blick zu.
    Einfache Handelsbedingungen verstand Gürbüz ganz genau. Er würde sie erfüllen, ohne zu versuchen, mich zu täuschen. Er machte einen bedrückten Eindruck, als säße er wieder in derselben Falle wie damals im Gerichtssaal neben seinem Rechtsanwalt, als ich, frisch aus dem Krankenhaus, den Richtern erklärte, dass er auf mich geschossen und dafür mindestens die Todesstrafe verdient hatte.
    »Ich gebe dir eine Telefonnummer. Sobald du etwas weißt, rufst du an. Kannst du dir das merken?«
    Gürbüz sagte nichts, nickte aber.

 

8
     
     
    Niessen stand in der Gasse und drückte ununterbrochen auf CyberNels Klingel. Schon von weitem sah man ihm an, dass dies kein Ort war, an dem ein Yuppieanwalt sich wohl fühlte. CyberNels Gasse war, abgesehen von dem ein oder anderen abgezockten Touristen, so sicher wie eine Reformierte Kirche, aber es war und blieb eine dunkle Gasse.
    Niessen brach vor Erleichterung fast in Tränen aus, als er uns herbei spazieren sah. »Ich stehe hier schon seit einer Viertelstunde, ich bin schon in Schweiß gebadet! Du lieber Himmel, ist das dein Büro?«
    Ich stellte ihn CyberNel vor, die ein beleidigtes Gesicht machte. »Das hier ist eine der schicksten Gassen von Amsterdam«, sagte ich. »Nel hat ihr Atelier in den früheren Büros von Filmproduzenten. Zar Peter der Große hat jahrelang nebenan residiert, und ein paar Meter weiter findest du den erotischsten Friseursalon der Stadt.«
    Nel lächelte glücklicherweise wieder, und wir stiegen die Treppe hinauf. Ihre Ikearezeption mit angegliedertem Arbeitsplatz schien Niessen milder zu stimmen, weil überall hochwertige und sichtlich teure elektronische Geräte herumstanden. Das Wohnzimmer war natürlich etwas anderes. Er war bemüht, die Gastgeberin nicht zu beleidigen, und zögerte nicht übertrieben lange, bevor er in ihrem Sessel aus dem Auktionshaus für Zwangsversteigerungen Platz nahm.
    Nel setzte Kaffee auf, und ich schenkte uns währenddessen einen Drink ein und erzählte Niessen, warum sie CyberNel genannt wurde und dass sie meine Partnerin war, für die dieselben Diskretionsauflagen galten wie für mich.
    »Was wirst du diesem Ehepaar berichten?«, fragte Niessen, als wir zum Wesentlichen kamen.
    »Das geht dich gar nichts an«, antwortete ich. »Aber sie werden froh sein, dass du nichts gegen die Adoption einzuwenden hast. Viele Formalitäten wirst du nicht erledigen müssen.«
    »Ich muss gar nichts«, sagte Niessen. »Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, mich als leiblichen Vater zur Verantwortung zu ziehen.«
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und dachte an den kleinen blonden Dreikäsehoch auf meinem Gartenweg. »Unter Umständen wird das Jugendamt an dich herantreten.«
    »Unsinn, ich habe keinerlei Verpflichtungen«, wiederholte er gereizt. »Wenn die vom Jugendamt demnächst auch noch bei mir

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