Ingrid
einem Stück guter Butter in der Pfanne auf dem Gasherd braten?«
Nel warf mir einen vernichtenden Blick zu. Die sinkende Sonne teilte die riesigen Pappeln hinter dem Haus in helle und dunkle Hälften. Ich saß mit dem Wein und einer Gauloise im großen weißen Sonnenstuhl und beobachtete das ländliche Drama, bei dem die obere Hälfte, die des goldenen Lichts, langsam von der hochkriechenden Düsternis verschlungen wurde. Ich wartete auf die kühle Brise, die die Sonne stets hinter sich herzog, wenn sie hinter dem Horizont verschwand.
Nel hockte vor ihrem Grill und pustete. Sie hatte einen hübschen Po in der schwarzen Hose. Mir fiel ein, dass ich ihr zu Nikolaus einen dieser kunstvollen Blasebälge aus Frankreich schenken könnte, für den nächsten Sommer.
Sie schwitzte ein wenig, und ein paar vorwitzige Härchen klebten ihr auf der Stirn. Mit ihren halb zugekniffenen Augen ähnelte sie wieder einmal einer Katze. Dafür, dass sie angeblich nur Zahnbürste und Nachthemd dabeihatte, hatte sie einen ziemlich großen Koffer mitgebracht.
»Vielleicht ist die Strauchheide in Menschenschmuggel verwickelt?«, spekulierte ich.
Nel legte eine Tischdecke auf und arrangierte Teller, Servietten und ein Glas darauf. Das zweite hatte ich schon in der Hand. Ich freute mich darauf, wieder einmal vernünftig zu essen, mit einer Vorspeise und Fleisch, das in Öl und Kräutern der Provençe mariniert und außerdem von jemand anderem als mir zubereitet worden war.
»Dann muss es aber eine Art Luxusschmuggel sein, bei dem man vor den Gästen katzbuckelt. Hat man das nicht früher so gesagt?«
Ich ignorierte ihren Versuch, mich als alten Knacker hinzustellen und damit zu ärgern. »Ein Durchgangsquartier, daran hat auch Bart gedacht.«
»Derjenige, der dich dort hat einsperren lassen, hat nichts gegen dich«, sagte Nel. »Du durftest nur für eine Weile nicht stören, und er machte es dir so angenehm wie möglich, damit du hinterher nicht allzu böse auf ihn sein würdest.«
Sie hätten mich in dieser Nacht sofort töten können, wenn sie das gewollt hätten. Dann hätten die Männer auch keine Masken zu tragen brauchen. Dass ich Cassie gesehen hatte, spielte offenbar keine Rolle.
»Sie haben damit gerechnet, dass ich brav einschlafen würde. Der Mann, der da saß, war kein Wächter, sondern eher eine Art Hausmeister. Der Baseballschläger und sein Kumpel waren wahrscheinlich schon weg. Ihre Aufgabe war erledigt, als sie mich abgeliefert hatten.«
»Eine Herberge für Spione, Profikiller oder Mafiabosse auf der Durchreise?« »Nur weiter so.«
Sie hatte die Holzkohle gleichmäßig zum Glühen gebracht und fing an, Lammrippchen auf den Grillrost zu legen. Ich schenkte ihr Wein ein und naschte von den Oliven und Salamischeibchen. Nel tupfte sich die Stirn mit ihrer Serviette ab und setzte sich mir gegenüber. Ich hörte plötzlich ein Auto bremsen und kurz darauf kam Peter ums Haus gerannt.
»Max … hallo …« Er blieb stehen und machte ein verdutztes Gesicht, vielleicht, weil er sich einer unbekannten Dame gegenübersah. »Entschuldigung … Ich habe Rauch gesehen und dachte, bei dir würde vielleicht etwas brennen.«
»Das ist nur der Grill. Oder das Fleisch auf dem Grill. Hallo Peter. Das hier ist CyberNel.«
CyberNel schaute ihn an wie eine lächelnde Sphinx.
»Peter ist unser ehemaliger Kunde, der, der Tommy adoptieren will«, erklärte ich. »Möchtest du ein Glas Wein, Peter?«
»Nein, danke, ich muss nach Hause. Ist das deine Frau?«
»Nein.«
»Noch nicht«, sagte CyberNel.
Es blieb einen Moment lang still und ich schaute sie stirnrunzelnd an. Ich fragte Peter, wie es Tommy ginge.
»Phantastisch, Ingrid ist so glücklich mit ihm, ich kriege sie kaum noch aus dem Haus …«
»Ja, aber wie geht es Tommy?«
Peter klang noch aufgeweckter. »Ich habe eben mit der Dame vom Jugendamt telefoniert, sie darf natürlich offiziell nichts versprechen, aber sie hat durchblicken lassen, dass, was ihn betrifft, alles in Ordnung ginge und ihr Bericht mit entsprechender positiver Empfehlung schon auf dem Weg zum Richter sei. Jetzt kann alles sehr schnell gehen.«
»Glückwunsch. Und wie findet Tommy das?«
»Tommy?« Er schaute von mir zu CyberNel. »Der Junge weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Ingrid war mit ihm einkaufen, und sie sind mit einer ganzen Lkw-Ladung Spielsachen nach Hause gekommen.«
»Aber es muss doch ein ziemlicher Schlag für ihn gewesen sein«, sagte CyberNel. »Ein zweijähriger Junge, dessen
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