Ingrid
die Haut ihrer Brüste, grob hochgepresst in ihrem tief ausgeschnittenen Oberteil, abgelebt, schlaff, rot und pickelig war. »Du meinst, da muss schon Weihnachten auf einen Dienstag fallen?« Roos kicherte, schlürfte an ihrem rosa Pikkolo, machte ein verführerisches Gesicht und zog den Strohhalm langsam aus dem gespitzten Mund.
»Sollen wir nicht nach oben gehen?«, fragte sie. »Mittags ist es billiger.«
Ich schob ihr einen Hunderter rüber. »Ein andermal. Wir müssen gleich wieder gehen.«
»Du bist ein richtiger Gentleman.« Roos zauberte den Geldschein in ihre Handtasche.
Umsonst geht nur die Sonne auf, dachte ich. »Dienstag der dreizehnte. Kannst du dich an den Tag noch erinnern?«
»Dienstag vor zwei Wochen?«
»War Harm da auch hier?«
»Natürlich. Und Sjef auch.«
»Wann sind sie gekommen?«
»Ich glaube, so gegen halb zwölf. Harm hatte ein Geschenk für mich gekauft.«
»Er muss ja ganz verrückt nach dir sein. Wann sind die beiden wieder nach Hause gegangen?«
»Wir haben eine Party gefeiert. Nicht vor halb vier.«
»Und du bist dir sicher, dass es der 13. Juni war und nicht irgendein anderer Dienstag?«
Ihr Lächeln breitete sich träge über ihre Wangen aus und ebbte irgendwo hinter ihren Kieferknochen wieder ab. »Natürlich bin ich mir sicher, es wurde so spät, weil wir meinen Geburtstag gefeiert haben. Na ja, eigentlich hatte ich einen Tag vorher Geburtstag«, sagte sie dann. »Ich bin Zwilling, am 12. Juni geboren.« Sie hielt ihr Handgelenk hoch und zeigte mir ein silbernes Armband. Ein kleiner Anhänger baumelte daran, mit dem astrologischen Zwillingssymbol. »Das hat Harm mir mitgebracht.«
Eine regelrechte Romanze für das Volkstheater.
Ich dachte an Bokhofs knochige Frau in ihrem staubfreien Sonntagswohnzimmer. Sie hatte noch nicht einmal behauptet, er habe zu einer Versammlung der Obstbauern gemusst oder sich irgendeine andere Ausrede ausgedacht. Nur: Mein Mann war die ganze Nacht zu Hause. Vielleicht wusste sie über The Pink Moon Bescheid und fürchtete den Skandal, der ausgelöst würde, wenn sie alles der Polizei erzählte. Gewiss fand sich für ihre Lüge und die Beweggründe dafür irgendwo eine Rechtfertigung in der Bibel, vermutlich im Alten Testament. Ich schaute in Roos’ treuherzige Augen in ihrem dicken, gutgläubigen Gesicht und fand, dass dieser Idiot auch noch Glück hatte. Er ist ein lieber Mann. Man hätte glatt vor Rührung heulen können, wenn er nur genauso lieb und nett zu der ermordeten Jennifer gewesen wäre.
»Wir leiten die Sachen, die nichts mit unseren Fällen zu tun haben, doch immer an die Polizei weiter«, sagte CyberNel. »Stimmt’s oder hab ich Recht?«
»Stimmt, du hast Recht. Es stört mich eben nur, dass ich da fast zwei Tage lang festgesessen habe. Das muss doch irgendeinen Grund gehabt haben. Außerdem ist der Mord an Jennifer unser einziger Fall.«
»Wo du eingesperrt warst, ist doch an und für sich egal. Es geht doch um die Leute, die dich haben entführen lassen …« Nel schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts Besonderes über diesen Kurierdienst herausgefunden. Es ist eine GmbH, die Tochterfirma einer Muttergesellschaft mit noch weiteren GmbHs. Was hat Bart Simons gesagt?«
»Er hat Harry die Rübe vernommen, sie wollen das alles nochmal überprüfen, aber sie sehen keinen Zusammenhang zwischen Harry und Calypso.«
»Du meinst Calluna. In diesem Industriegebiet gäbe es übrigens an die zwanzig Möglichkeiten, wo man dich hätte gefangen halten können. Wenn du mit deinem benebelten Kopf einen Meter tief gefallen bist, muss das noch lange nicht von der Laderampe der Firma Calluna gewesen sein.«
Nel stocherte in der glühenden Holzkohle herum. Ich hatte drei wackelige Beine unter den gusseisernen Grill geschraubt, den sie mir zum Einzug geschenkt hatte. Dazu hatte sie auch einen Sack Holzkohle und ein Paket Grillanzünder mitgebracht, die, anstatt die Kohle rasch zum Glühen zu bringen, hauptsächlich einen beißenden Gestank verbreiteten. Im Dorf hatte sie Lammrippchen und Spießchen mit Fleischwürfeln und Paprikascheibchen gekauft, dazu zwei Flaschen Wein. Ich fing schon mal mit dem Wein an. Der Lavendel blühte noch immer. Es war ein zu schöner Abend, um Fragen zu stellen.
»Calluna klingt schön sizilianisch oder korsisch.«
»Höchstens nach korsischen Heidesträuchern, denn genau das ist Calluna. Calluna vulgaris, die gewöhnliche Heide, aus der Ericaceae-Familie .«
»Sollten wir das Fleisch nicht lieber mit
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