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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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den Jungen adoptieren will, sollte sie besser wieder zurück sein, bevor dem Richter das zu Ohren kommt.«
    Sigrid sank zurück auf ihren Stuhl. »O mein Gott«, sagte sie mit einem Seufzer. »Ich habe keine Ahnung, wo sie sein könnte.«
    »Dann solltest du vielleicht anfangen, dir darüber Gedanken zu machen.«
    »Kannst du sie aufspüren?«, fragte Thomas Niessen. »Sollen wir die Polizei einschalten?«
    »Du lieber Himmel.« Louise seufzte und sank bleich in einen der Lehnstühle in Niessens Büro. »Ich komme gerade von meinem Vater.«
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Niessen.
    »Na ja, die Geschichte wird ihn nicht gerade fröhlicher stimmen.« Sie schaute mich entschuldigend an. »Er wird sich schon noch daran gewöhnen, aber im Moment bereitet ihm die Vorstellung, dass Thomas ein Kind hat, das nicht von mir ist, aber trotzdem sein Enkel werden soll, noch einige Schwierigkeiten. Dass seine Kanzlei viel Zeit für die Formalitäten aufwendet, ist eine Sache, aber wenn er erfährt, dass sich die Sache zu einem ordinären Zank um die Vormundschaft ausweitet und die Adoptivmutter auch noch das Kind entführt hat …«
    »Möchtest du es lieber rückgängig machen?«, fragte Niessen unsicher.
    Louises Augen funkelten. »Natürlich nicht, wie kommst du darauf? Das Einzige, was ich will, ist, dass Tommy so schnell wie möglich aus den Fängen dieser Frau befreit wird.«
    »Ingrid sorgt aber wirklich gut für ihn«, sagte ich noch einmal.
    »Gut, kann ja sein.« Sie schnaufte viel sagend. »Aber lass uns doch lieber direkt die Polizei einschalten.«
    »Die Polizei wird sich nicht die Finger daran verbrennen wollen.«
    Alle beide schauten mich verständnislos an. Niessen runzelte die Stirn. »Wieso?«
    Ich erwiderte verwundert ihren Blick. »Was soll das heißen, wieso? Ihr seid doch hier die Juristen. Ingrid ist mit ihrem Pflegekind unterwegs. Von Entführung kann keine Rede sein. Sie selbst steht nicht unter Vormundschaft, sie braucht niemandem zu erzählen, wohin sie geht.«
    Niessen schüttelte den Kopf. »Noch hat sie nicht die Vormundschaft für Tommy, du hast selbst gesagt, dass die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen ist.«
    »Schon, aber das Jugendamt hat einer VPS zugestimmt.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Louise.
    »Einer vorläufigen Pflegschaft.« Ich betonte die Anfangsbuchstaben. »Ingrid ist mit Zustimmung des Jugendamtes zu Tommys vorläufiger Pflegemutter ernannt worden, als sie ihn bei sich aufgenommen hat. Während der Dauer der vorläufigen Pflegschaft stellt das Jugendamt Untersuchungen über das Umfeld an et cetera. Wenn sie zu einem positiven Urteil kommen, ordnet das Vormundschaftsgericht offiziell die Vormundschaft an beziehungsweise erteilt die Erlaubnis zur elterlichen Sorge.«
    Ich sah, dass Thomas allmählich verstand. »Die vorläufige Pflegschaft gilt, solange das Vormundschaftsgericht noch kein endgültiges Urteil gefällt hat«, sagte er.
    »Genau. Man kann kein Kind entführen, für das man vorläufig zur Pflegemutter ernannt wurde.«
    Für einen Augenblick schwiegen wir alle und dachten nach.
    Louise kam zu der einfachen Lösung: »Dann muss der Richter eben unverzüglich ein Urteil fällen.«
    »Schon gut, Schatz«, sagte Thomas.
    »Was soll das heißen, schon gut Schatz?« Sie schaute mich forschend an.
    »Richter lassen sich nicht gern von Rechtsanwälten vorschreiben, was sie zu tun haben«, sagte ich.
    Louise gab sich nicht so leicht geschlagen. »Welche Rechte hast du genau?«, fragte sie ihren Verlobten.
    Niessen zuckte mit den Schultern und schaute mich Hilfe suchend an. Ich erkannte, dass er sich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte. Vermutlich hatte er bereits zu spüren bekommen, dass er in der Achtung von Louis Vredeling erheblich gesunken war. Und Louis Vredeling war seine Zukunft. Das bereitete ihm Kopfschmerzen. Wahrscheinlich hätte er am liebsten alles vergessen, was mit der Affäre mit seiner ehemaligen Mandantin zusammenhing.
    Ich rang mit einer neutralen Formulierung. »Woran ich mich erinnere, ist, dass nach dem Tod der leiblichen Mutter normalerweise automatisch der leibliche Vater Vormund des Kindes wird.« Wenn dieser Tropf sich sofort gemeldet hätte, hätte ich am liebsten hinzugefügt, hielt aber den Mund.
    »Muss er beweisen, dass er der Vater ist?«, fragte Louise.
    »Ich kann jederzeit einen DNA-Test durchführen lassen«, sagte Thomas steif.
    »Also, ich glaube nicht, dass der Richter mit einem entsprechenden Urteil Probleme hat«,

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