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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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sagte ich. »Du hast vollkommen Recht.«
    Nel zuckte mit den Schultern. »Mach du weiter.«
    »Ingrid fährt sofort zu ihrer Schwester in Tiel.«
    »Und die hat dichtgemacht, als du sie befragen wolltest?«
    »Ja, sobald sie spitzkriegte, dass ich ihre Schwester verdächtige. Aber Ingrid hat garantiert nicht bei ihr übernachtet. Sigrid sagte nicht Nein, als ich fragte, ob Ingrid irgendwo bei ihr in der Nähe einen Liebhaber hätte, aber vielleicht ließ sie mich auch absichtlich im Ungewissen, um ihre Schwester zu schützen. Auf jeden Fall wäre bei diesem Szenario Ingrid abends nach Hause gekommen, hätte ein Brecheisen aus der Garage geholt und wäre hinüber zu Jennifer gegangen. Jennifer will Kaffee aufsetzen …«
    »Hat sie sich nicht über das Brecheisen gewundert? Das ist doch nicht etwas, was man im BH verstecken kann, obwohl mir inzwischen klar ist, dass die BHs von Ingrid …«
    »Das reicht!«, sagte ich streng. »Es ist viel einfacher. Ingrid brauchte nur zu behaupten, dass sie sich nachts ohne Brecheisen nicht mehr über den Deich traut seit diesem Ärger mit Bokhof. Okay. Tommy liegt oben im Bett und schläft. Jenny setzt Kaffee auf. Ingrid schlägt sie nieder. Durch das viele Blut gerät sie in Panik. Sie denkt an Tommy, rennt nach oben, kann den Kleinen nicht mitnehmen und schließt deshalb seine Tür ab, damit er nicht zufällig über seine tote Mutter stolpert. Wieder unten erinnert sie sich vielleicht daran, dass sie es nach einem Einbruch aussehen lassen wollte. Sie schlägt eine Scheibe in der Hintertür ein, ist aber nicht geistesgegenwärtig genug, um zu begreifen, dass sie es von außen hätte tun müssen, oder sie traut sich nicht raus, weil sie Angst hat, Krach zu machen. Danach flüchtet sie nach Hause. Sie ist verwirrt und überlegt, ob sie nicht alles Mögliche falsch gemacht hat.«
    Nel nickte. »Solch eine Panik haben wir ja oft genug erlebt. Einen kaltblütigen Mord zu planen, ist gar nicht so schwer. Aber jemandem den Schädel einzuschlagen und ihn vor seinen eigenen Augen sterben zu sehen, ist etwas anderes.«
    Ich dachte an Jennifer und sagte: »Ingrid ist völlig verrückt. Bei solchen Menschen erkennt man vielleicht vorher schon verschiedene Merkwürdigkeiten und ein sonderbares Benehmen, aber dadurch können sie sogar sympathisch wirken. Betrachtet man es aber im Nachhinein und im Zusammenhang mit einem Mord, erkennt man plötzlich, dass all diese Anzeichen in ein seelisches Krankheitsbild passen und die Person längst in psychiatrische Behandlung gehört hätte.«
    »Du hast dich ganz schön an der Nase herumführen lassen.« Nel biss die Zähne zusammen, ihr Ärger hatte etwas Besitzergreifendes. Aber sie ging darüber hinweg und beendete das Drehbuch: »Das Weib kommt nach Hause und ruft Peter an. Sie beichtet, was sie getan hat, und er sagt: Fass bloß nichts an, ich komme sofort. Um dreizehn Minuten vor Mitternacht registriert der Computer das Verlassen seines Zimmers. Der Rest ist Kleinkram. Oder?«
    »Na ja, ziemlich viel Kleinkram. Peter erkennt ihren Fehler mit dem Glas, fegt die Scherben nach innen. Ingrid erzählt ihm, dass sie Tommys Tür abgeschlossen hat. Mir macht allerdings die Mordwaffe noch zu schaffen. Er konstruiert ein Alibi in Amsterdam, um zu beweisen, dass er es nicht getan hat, legt aber das Brecheisen an eine auffällige Stelle in sein eigenes Auto, um beweisen zu können, dass er es doch getan hat? An dieser Stelle komme ich nicht weiter.«
    Nel verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Außer, Peter hatte von vornherein vor, die Schuld auf sich zu nehmen, falls seine Frau auffliegen würde. Ich glaube, die sind alle beide verrückt.«
    Gestern Morgen hatte ich den Schlüssel zur Innentür wieder an seinen Platz gelegt und das Garagentor zugezogen, deshalb konnten wir ohne Weiteres wieder hinein, Nel mit ihrer Tasche und ich mit meiner Pistole. Trotzdem warteten wir, bis es dunkel war.
    Die Atmosphäre im Haus fühlte sich verdorben an, voller böser Gedanken, übler Ideen, übler Pläne. Von den Wänden hatten Heuchelei, Mordlust und Verzweiflung widergehallt, und von all diesen Dingen war eine giftige Aura zurückgeblieben. Man konnte es fühlen und riechen. Ich sah, dass auch Nel es fühlte und roch. Sie sagte nichts, stellte ihre Tasche auf den Wohnzimmertisch und ging sofort an die Arbeit.
    Ich wanderte umher, auf der Suche nach irgendetwas, einer Adresse, einer Karte, einem Hinweis, der mich auf die Spur von Ingrids Aufenthaltsort bringen

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