Ingrid
geht er aus dem Zimmer hinaus, ohne sich nach dem ereignisreichen Alibifrühstück die Zähne zu putzen, zahlt unverzüglich und ist weg, Türschloss auf null um 09.30 Uhr. Was passiert am Dienstagabend in der halben Stunde, in der Peter sich in seinem Zimmer aufhält? Gab es Telefongespräche, eingehende oder ausgehende?«
Ich dachte nach. »Laut Ingrid haben die beiden nur ein Handy, und das hatte Peter bei sich. Peter kennt sich vielleicht nicht mit Türschlössern aus, aber sicher weiß er, dass Gespräche über das Hoteltelefon automatisch auf seine Rechnung gesetzt und daher registriert werden. Wenn Ingrid ihn angerufen hat, dann garantiert auf dem Handy, das geht schneller als erst die Nummer des Hotels herauszusuchen und so weiter. Das Telefonregister nützt uns nichts.«
Nel trank einen Schluck. »Dann erzähl mir mal, wie es deiner Meinung nach abgelaufen ist.«
Ich zögerte. »Die Frage ist, ob Peter überhaupt etwas mit der Tat zu tun hatte.«
Nel schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht viel über diesen Mann, aber ich glaube, dass er es in diesem Fall tatsächlich selbst getan hätte. Was sollte er sich sonst bei der ganzen Sache gedacht haben? Wollte er, dass niemand Ingrid verdächtigt und glaubte, er müsse nur für ein gutes Alibi sorgen, dann könnten sie auf diese Weise gemeinsam den perfekten Mord begehen? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich glaube, dass Ingrid die Gelegenheit nutzte, um zu tun, was sie schon lange vorhatte, und dass sie Peter anrief und ihn so unerwartet mit hineinzog. Er musste rasch hin- und herfahren, dachte erst hinterher daran, dass er ein Alibi brauchte, und verursachte deshalb den Aufstand beim Frühstück. Diesen Ablauf könnte ich mir eher vorstellen.«
Ich liebte Nel wahrhaftig nicht nur, weil sie so hübsch war. »Dienstagmorgen. Peter muss nach Amsterdam. Ingrid: Komm nicht zu spät nach Hause, Schatz, ich koche uns was Leckeres zum Abendessen. Falls du doch in einem Hotel übernachtest, ruf mich bitte an.«
Nel blickte hinüber zu einem Tisch, wo einer Familie von Frühessern diverse Gerichte serviert wurden. »Und falls du mich nicht erreichen kannst, weil ich in der Badewanne sitze, ruf doch einfach unseren netten Nachbarn Max Winter an. Der kann mich dann auch gleich abtrocknen.« *
Ich schaute sie an. Ihr Spott war bitter, mit einigen Prisen Eifersucht und Bosheit gewürzt. Ich sagte: »Jetzt werde bitte nicht ordinär.«
»Okay, aber was sollte denn diese Geschichte mit dem Telefon?«
»Ich glaube, du hast Recht. Ich wurde vom ersten Augenblick an benutzt. Ingrid hatte schon lange vor, Jennifer zu ermorden, um Tommy adoptieren zu können. Sie wartete nur auf eine günstige Gelegenheit. Sie hatte alles genau studiert, sie wusste, dass sie Zeugen brauchte, für die Polizei, für das Jugendamt. Ein allein stehender Mann, und das mit meinem Hintergrund – für sie war es ein Geschenk des Himmels, als ich neben Jennifer einzog.«
»Und dazu noch einer, der bereitwillig mitmachte?«, konnte sich Nel nicht verkneifen anzumerken.
Ich ignorierte es einfach. »Ingrid hat den Stecker rausgezogen und nicht Peter, wie sie behauptete. Ich weiß noch, dass ich dachte: Warum ruft er nicht bei Jennifer an? Aber Jennifer hatte ein kleines Kind, das gerade zu Bett gebracht wurde oder schon schlief, und Ingrid rechnete damit, dass Peter daran denken und daher mich anrufen würde. Genau das wollte Ingrid, denn sie brauchte mich als Zeugen. Ich musste erfahren, dass sie morgens Tommy abholen sollte, weil Jennifer eine Verabredung in Amsterdam hatte …«
»Weißt du das nur von Ingrid?«
»Ja, das fällt mir jetzt erst auf. Ich habe alles Mögliche probiert, um herauszufinden, mit wem Jenny diesen Termin hatte.«
»Dann gab es vielleicht gar keine Verabredung.« Nel saß eine Weile lang da und dachte nach, die Lippen fest aufeinander gepresst. »Alles haut hin, wenn die ganze Geschichte von vornherein geplant war«, sagte sie. »Ingrid mag eine Psychopathin sein, aber Tommy ist ihre Obsession. Sie weiß, dass das Kind irgendwann wach wird. Sie will nicht, dass er in Panik gerät, hysterisch wird und ein Trauma davonträgt, denn damit hat sie dann später zu kämpfen. Also denkt sie sich das mit der Verabredung aus und dass sie Tommy abholen muss. Damit wollte sie vermeiden, dass der eingeschlossene Junge morgens wach wird und stundenlang vergeblich nach seiner Mutter schreit.«
Ich schaute Nel an und dachte an meinen Traum. »Das Mutterherz«,
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