Inka Gold
mit Hilfe der Winde auf den Berggipfel gezogen war, wurde das Seil wieder hinuntergeschafft und an einem um den Thron geschlungenen Geschirr befestigt. Auf ein Signal hin sollte der Thron durch den Fluß auf trockenen Boden geschleift werden. Dort wollten die Pioniere ihn mit Hilfe von Amarus Männern per Muskelkraft auf einen Schlitten wuchten und aus dem Bergesinneren herausziehen. Sobald alle Kunstgegenstände im Freien waren, sollten sie in Transportmittel verladen werden, wie sie sich die Inkakünstler, die die goldenen Meisterwerke geschaffen hatten, nie hätten erträumen lassen: Vögel, die ohne Flügel fliegen konnten und die man Helikopter nannte.
Auf der Schatzinsel hatte Micki Moore inzwischen alle Hände voll zu tun, die einzelnen Kunstwerke aufzulisten und mit kurzen Beschreibungen zu versehen, während Henry Moore sie vermaß und fotografierte. Sie mußten rasch arbeiten, denn Amaru trieb die Pioniere zu immer größerer Eile an, so daß der kleine Berg aus goldenen Altertümern unglaublich schnell schrumpfte. Die Inkas und Chachapoyas hatten zehn Tage gebraucht, um den Schatz im Innern des Berges zu verstecken.
Mit modernem Gerät konnte man ihn in knapp zehn Stunden wieder herausholen.
Micki Moore trat näher zu ihrem Mann und flüsterte: »Ich bringe das nicht fertig.«
Er schaute sie an.
In ihren Augen schien sich das Gold zu spiegeln, das im Licht der von den Pionieren ins Bergesinnere geschafften Lampen glänzte. »Ich möchte nichts von dem Gold.«
»Warum nicht?« fragte er leise.
»Ich kann’s nicht erklären«, sagte sie. »Ich fühle mich jetzt schon schmutzig. Und ich weiß, daß es dir ganz ähnlich gehen muß. Wir müssen irgend etwas unternehmen. Zolar darf den Schatz nicht bekommen.«
»Das hatten wir ursprünglich doch auch vor – wir wollten die Zolars eliminieren und den Schatz in unsere Hände bringen, sobald er in der Altarwüste in ein Flugzeug verladen ist.«
»Das war, bevor wir gesehen haben, wie riesig und großartig er ist. Laß die Finger davon, Henry. Das Ganze ist eine Nummer zu groß für uns.«
Moore drehte sich nachdenklich um. »Das ist ja ein verdammt guter Zeitpunkt für Gewissensbisse.«
»Mit Gewissensbissen hat das gar nichts zu tun. Es ist doch lächerlich, wenn wir uns vormachen, wir könnten tonnenweise alte Kunstschätze ausladen. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Wir beide haben weder die Voraussetzungen noch die notwendigen Kontakte, um einen derart umfangreichen Goldschatz auf dem Schwarzmarkt zu vertreiben.«
»Huascars Kette loszuwerden sollte so schwer nicht sein.«
Micki sah ihm lange in die Augen. »Du bist ein sehr guter Anthropologe, und ich bin eine sehr gute Archäologin. Und wir haben noch andere Fähigkeiten. Wir können zum Beispiel nachts über einem fremden Land aus dem Flugzeug springen und Menschen ermorden. Der Raub unschätzbar wertvoller Kunstwerke zählt nicht zu unseren Spezialitäten. Außerdem hassen wir diese Menschen. Ich meine, wir sollten gemeinsam dafür sorgen, daß der Schatz zusammenbleibt und nicht auf der ganzen Welt verstreut wird. Er darf nicht in den Privaträumen von einigen wenigen Sammlern verschwinden, die scharf darauf sind, etwas zu besitzen, das außer ihnen niemand haben oder betrachten kann.«
»Ich muß zugeben«, sagte er einlenkend, »daß auch ich meine Vorbehalte hatte. Was sollen wir deiner Ansicht nach tun?«
»Das Richtige«, erwiderte sie mit rauher Stimme. Zum ersten Mal fiel Moore das Mitgefühl in ihrem Blick auf. Sie strahlte eine Schönheit aus, die er an ihr noch nie wahrgenommen hatte.
Sie schlang die Arme um ihn und blickte ihm tief in die Augen.
»Wir müssen ja niemanden umbringen. Diesmal brauchen wir uns nicht irgendwo zu verkriechen, wenn unsere Aufgabe erledigt ist.«
Er umfaßte ihren Kopf mit beiden Händen und küßte sie. »Ich bin stolz auf dich, altes Mädchen.«
Sie stieß ihn zurück, und ihre Augen wurden größer, so als fiele ihr etwas ein. »Die Geiseln. Ich habe ihnen versprochen, daß wir sie befreien, wenn wir können.«
»Wo sind sie?«
»Wenn sie noch leben, müßten sie oben sein.«
Moore blickte sich in der Grotte um und sah, daß Amaru den Abtransport der Wächtermumien aus der Grabkammer beaufsichtigte. Die Zolars wollten die Felsenkammern so leer hinterlassen, wie die Inkas sie vor Hunderten von Jahren vorgefunden hatten. Nichts, was von Wert war, sollte hierbleiben.
»Wir haben sämtliche Stücke erfaßt und katalogis iert«, sagte er
Weitere Kostenlose Bücher